Hollys Weihnachtszauber
er letzte Nacht einen Moment lang angenommen hatte, ich wäre gerade aus Michaels Zimmer gekommen, und schauderte. »Möglicherweise gibt es da eine gewisse körperliche Anziehung zwischen uns …«
»Weil die Luft knistert, wenn ihr euch nahe seid?«, meinte er hilfsbereit.
»… aber das ist auch alles«, beendete ich den Satz. »Tatsächlich hat er mir neulich mehr oder weniger erklärt, dass er sich nach dem Tod seiner Frau nie wieder verlieben möchte – und mir geht es ganz genauso. Es ist viel zu schmerzlich, jemanden zu verlieren.«
»Kommt ihr zwei denn gar nicht mehr runter?«, rief Guy vom Fuß des Hügels, und ich kletterte auf den roten Schlitten und stieß mich mit solcher Kraft ab, dass ich an den erstaunten Pferden nur so vorbeischoss und unten beinahe in den Zaun gekracht wäre.
Später machte ich die Erbsen-Schinken-Suppe und frisches Sodabrot, das wir zusammen mit Käse, Pickles und Chutney zum Lunch aßen. Meine Vorräte an Grundnahrungsmitteln wie Käse und Butter schwanden rapide dahin, es war also wirklich nur gut, dass es endlich taute.
Trotz freundlichen Zuredens weigerte sich Coco, zu uns in die Küche zu kommen und etwas zu essen, und sagte, weil ich so gemein gewesen sei, habe sie über Weihnachten bestimmt Pfunde zugenommen und müsse für ihren nächsten Model-Auftrag wieder in Form kommen, sodass beim Essen, abgesehen von Michael, die Familie unter sich war … zu der auch ich gehörte, selbst wenn Jude seine Meinung anscheinend geändert und es den anderen nicht erzählt hatte.
Doch kaum hatte ich diesen Gedanken gedacht, blickte er am Küchentisch in die Runde und verkündete: »Es gibt da etwas Wichtiges, das ihr alle wissen solltet, auch wenn Holly nicht möchte, dass ich es euch sage.«
»Ihr werdet heiraten – hurra!«, schrie Jess, und sein blasses Gesicht rötete sich leicht.
»Nein, um so etwas geht es nicht, Jess«, sagte er. »Ich habe nicht vor, alle Jahre wieder meine Verlobung bekanntzugeben. Vielleicht solltest du lieber irgendwo anders hingehen, während wir das hier besprechen – es geht um etwas sehr Persönliches für Holly.«
»Ach nein – ich bin schon still, versprochen!«
»Wenn du es allen sagen willst, kannst du Jess ruhig auch mit einbeziehen«, erklärte ich schicksalsergeben.
»Okay«, stimmte er zu. »Also, während ihres Aufenthalts hier hat Holly die Tagebücher ihrer Oma durchgelesen und herausgefunden, dass sie die Enkelin von Ned Martland ist.«
»Was, Hollys Oma ist das Fabrikmädchen, das Ned…«, setzte Noel verblüfft an, brach dann aber abrupt ab.
»… verführt und im Stich gelassen hat, ja«, bestätigte ich, »auch wenn sie kein Fabrikmädchen war, sondern ihn in Wirklichkeit im Lazarett gesund gepflegt hat.«
»Ach, du liebe Güte«, war Tildas wenig angemessener Kommentar.
»Untertreibung des Jahres, Tilda«, sagte Becca.
»Ihr könnt also verstehen, warum es ihr ein wenig unangenehm ist, dieses Thema zu erörtern und Anspruch auf Verwandtschaft mit einer Familie wie der unsrigen zu erheben«, sagte Jude.
»Nicht dass ich euch zum Vorwurf mache, was Ned Martland getan hat«, warf ich rasch ein, obwohl ich manchmal natürlich durchaus …
»Ich hatte ganz gewiss nicht abschätzig über deine Großmutter sprechen wollen«, entschuldigte sich Noel. »Und in der Tat freut es mich ganz außerordentlich, dich endlich kennenzulernen, meine Liebe!« Er wechselte einen vielsagenden Blick mit Tilda und fuhr fort: »Wie oft habe ich schon zu Tilda gesagt, ich wünschte, ich hätte Neds Mädchen aufgespürt, nachdem er ums Leben kam.«
»Warum hast du es dann nicht getan?«, fragte ich unverblümt.
»Nun, die Sache ist die, es gab ein fürchterliches Tamtam, als er unseren Eltern von ihr und dem Baby erzählt hat, vor allem da er zu diesem Zeitpunkt schon mit der Tochter von Lord Lennerton verlobt war, der ihm eine Stelle angeboten hatte, von der aus er sich in den Firmenvorstand hätte hocharbeiten können. Es hatte ausgesehen, als würde er endlich solide werden, worüber unsere Eltern recht erfreut waren – und so war es ein noch härterer Schlag, von deiner Großmutter zu erfahren.«
»Aber er ist eingeknickt und hat getan, was sie wollten?«
»Nicht wirklich. Wir wussten nicht viel über dieses Mädchen, nur dass sie aus der Arbeiterklasse stammte – nicht einmal ihren Namen. Mein Bruder Alex und ich konnten jedoch sehen, dass Ned wirklich verliebt in sie war, und wir fanden, er sollte sie trotzdem heiraten,
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