Hollys Weihnachtszauber
Jude hat mir geholfen, ihn aufs Bankett zu schieben … oder dahin, wo wir es vermuteten, denn zu dem Zeitpunkt war das nur schwer zu beurteilen.«
»Könnte ich nicht in deinem Wagen mit nach London fahren, wenn er wieder flott ist?«, fragte Coco und klimperte Michael hoffnungsvoll mit ihren falschen Wimpern an, so als hätte sie seine Zurückweisung vor lauter Aufbruchstimmung schon ganz vergessen. »Der Automobilclub kann sich später um mein Auto kümmern.«
»Ich fahre zuerst zu den Freunden, die ich besuchen wollte – und eigentlich hatte ich vor, mir irgendwo in der Gegend eine Unterkunft zu suchen, um die Twelfth Night Revels ansehen zu können: Ich habe mittlerweile schon so viel davon gehört, dass ich nur ungern abreisen würde, ohne sie miterlebt zu haben. Aber zu Hause werde ich natürlich keinem davon erzählen.«
»Guter Mann!«, sagte Noel.
»Du bist einer von uns«, stimmte Becca zu.
»Und natürlich bist du herzlich eingeladen, bis dahin hierzubleiben«, erklärte Jude, wenn auch nicht restlos begeistert.
Coco zog eine Schnute. »Ich will nicht für irgendwelche doofen Moriskentänze herumhängen, nach denen sowieso kein Hahn kräht. Guy, dann musst du mich eben heimfahren, anders geht’s nicht. Und danach will ich dich nie wieder sehen.«
»Ich fahre auch nicht vor Twelfth Night«, erwiderte Guy.
»Letztes Jahr schon!«
»Ja, aber nur, weil ich mich mit Jude geprügelt hatte. Ich muss erst danach wieder zur Arbeit, also kann ich ruhig hierbleiben.«
»Ihr seid ja alle nicht ganz dicht – ich will einfach nur heim!«, jaulte sie.
»Ich finde, Coco nach Hause zu bringen, ist das Mindeste, was du tun kannst, Guy«, sagte Jude. »Schließlich sitzt sie deinetwegen hier fest, und bei den Revels machst du ja sowieso nie mit.«
Guy sah seinen Bruder mit hochgezogener Augenbraue fragend an. »Willst du mich etwa loswerden?«
»Ich finde, du hast mich nun lange genug mit deiner Anwesenheit beglückt.«
»Meinen Wagen könnten wir morgen auch ausgraben, er steckt in einer Schneewehe hinter dem Haus«, schlug ich vor.
»Wieso? Du fährst so schnell nirgendwohin«, fuhr Jude mich unwirsch an und stürmte an mir vorbei ins Haus, tauchte jedoch wenige Minuten später wieder auf, um ins Atelier hinunterzugehen. »Ich erwarte dich nach dem Lunch«, warf er mir im Vorbeigehen zu.
»Holly ist Judes Muse«, erklärte Becca den Jungs, die verständnislose Gesichter machten.
»Und sie ist eine entfernte Cousine«, ergänzte Noel. »Ist das nicht schön? Sie gehört zur Familie.«
»Das haben wir uns sowieso schon alle gedacht«, meinte Liam.
Weisungsgemäß stapfte ich zum Atelier hinunter, machte vorher jedoch noch einen kleinen Schlenker, um Laura in Kurzfassung rasch auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen, vor allem, dass ich vor der versammelten Familie als uneheliche Verwandte geoutet worden war, und erzählte ihr abschließend auch von dem Unfall.
»Aber dabei hättet ihr beide leicht ums Leben kommen können!«, rief sie entsetzt. »Gott sei Dank, dass Jude euch gehört hat! Geht es dir wirklich gut?«
»Bestens – aber hinterher bin ich total zusammengebrochen, weil mir dadurch klar geworden ist, dass Alan damals gar nicht anders konnte, als auf das Eis zu rennen, um diesen Hund zu retten – in einer solchen Situation handelt man rein instinktiv, und ich hätte für Merlin genau dasselbe getan. Dieses Erlebnis war … wie eine Läuterung. Ich habe Jude Martland die ganze Brust nassgeheult, und er hat mich lieb getröstet.«
»Na bitte, siehst du, er hat ein gutes Herz!«
»Und dann hat er mich geküsst. Oder ich habe ihn geküsst – er hatte jede Menge Whisky in meinen Tee getan, wegen dem Schock, und ich war nicht ganz bei mir. Im Küssen könnte er George noch Nachhilfe geben«, fügte ich nachdenklich hinzu.
»Holly!«
»Reg dich nicht auf: Er war derjenige, der aufgehört hat. Er hat gesagt, er hätte nicht ausnutzen wollen, dass ich so aufgelöst war … aber wahrscheinlich hatte er seine Meinung dann doch geändert. Ich hab ihm erklärt, es hätte nichts zu bedeuten, es war nur der Schock und der Whisky, und wir sollten das Ganze vergessen.«
»Geht das denn?«
»Ja«, antwortete ich bestimmt. »Abgesehen davon, dass er mein Cousin ist, hat er bereits klargestellt, dass er keine langfristige Bindung sucht, und ich habe nicht vor, den Fehler meiner Oma mit einem anderen Martland-Mann zu wiederholen.«
Näher ging ich auf meine zunehmend verworrenen Gefühle
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