Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
enthält.
Nichts. Nicht eine einzige Textdatei. Von der Festplatte ist außer den Pro-
grammen einfach alles gelöscht worden.«
»Das ist übrigens Holbeck«, Billy T. hielt plötzlich eine Vorstellung für
angebracht. »Sie ist vor kurzem vom Polizeidistrikt Bergen gekommen. Hanne
Wilhelmsen.«
Er ließ die Hand in Richtung Hanne durch die Luft fegen.
»Mm.« Karianne Holbeck lächelte. »Weiß ich doch. Soll ich den Computer zu
einer genaueren Untersuchung mitnehmen?«
»Kannst du das, ohne etwas zu beschädigen?«
Hanne Wilhelmsen wußte gerade genug über Computer, um einen Text
schreiben und speichern zu können.
»Kein Problem«, versicherte Karianne.
»Sie war in Bergen IT-Verantwortliche«, sagte Billy T. so laut, daß Karianne es
garantiert auch hören konnte. »Außerdem ist sie an die
Wirtschaftskriminalität ausgeliehen worden, weil sie diese Geräte sehr gut
kennt.«
Hanne nickte gleichgültig, riß sich dann aber zusammen und bedachte ihre
neue Kollegin mit einem Lächeln. Es war zu spät. Karianne Holbeck war schon
verschwunden.
»Jetzt schauen wir in den Keller, dann machen wir Schluß.«
»Na gut«, maulte Billy T. und stapfte hinter Hanne in den Flur und die Treppe
hinunter.
24
Im Keller roch es nach Waschpulver und alten Gummireifen. Ein langer Gang
mit vier Türen auf der einen Seite mündete in eine gut ausgerüstete
Waschküche. Waschmaschine und Trockentrommel waren teure Miele-
Modelle. Die schmutzige Wäsche, die auf einem braunen Resopal-tisch lag,
war in Stapel für Weiß, Bunt und Feinwäsche sortiert. Wände und Boden
waren mit Fliesen bedeckt, und der Raum sah bemerkenswert sauber aus.
»Hier finden wir jedenfalls nichts«, sagte Billy T. und kratzte sich im Schritt.
»Und ich krieg Genickstarre, wenn ich noch lange hier bleiben muß.«
Hanne achtete nicht auf ihn, sie ging in den Nebenraum. Wenn die
Waschküche sauber und ordentlich gewesen war, dann war es hier um so
chaotischer. Vermutlich war es früher einmal eine Art Werkstatt gewesen;
darauf wiesen eine Hobelbank und Werkzeug an der Wand hin. Aber es mußte
ziemlich lange her sein, daß jemand hier sinnvolle Arbeit verrichtet hatte. Zwei alte Fahrräder lehnten an einer Querwand, drei abgenutzte Autoreifen, die auf
braunen Papplatten aufgestapelt waren, versperrten den Blick auf den
Fußboden. In einer Ecke stand ein eingestaubter Weinballon, es lagen alte
Kleider und zerlesene Taschenbücher, ein Dreirad und das Untergestell eines
Kinderwagens aus den achtziger Jahren herum.
»Hier sieht es ja nicht gerade so aus, als ob jemand gründlich gesucht hätte«,
sagte Hanne Wilhelmsen und tippte mit der Stiefelspitze einen schwarzen
Plastiksack an.
Sieben Kellerasseln rannten los, um sich einen neuen Unterschlupf zu suchen.
»Ich habe ihnen doch gesagt, sie sollten sich den Keller noch einmal
vornehmen«, sagte Billy T. vergrätzt. »Wir haben Leute für diese Arbeit,
Hanne. Eine Hauptkommissarin braucht nicht im Dreck herumzuwühlen, zum
Teufel.«
25
»Du hast es wohl nicht gesagt.« »Was denn?«
»Du hast nicht gesagt, daß sie sich den Keller noch einmal vornehmen sollen.
Was ist das hier?«
Ohne auf Antwort zu warten, stieg sie über das Dreirad. Sie beugte sich vor
und machte sich an etwas zu schaffen, das Billy T. nicht sehen konnte.
»Und was haben wir nun hier«, sagte sie und richtete sich auf. »Ein
Medizinschränkchen. Ein sehr altes Medizinschränkchen.«
»Ein offenes Medizinschränkchen?« fragte Billy T.
Hanne Wilhelmsen hatte Plastikhandschuhe übergestreift und ohne größere
Schwierigkeiten mit einem Taschenmesser das einfache Schloß aufgestochert.
Jetzt hielt sie ihrem Kollegen das Schränkchen wie eine Schmuckschatulle hin.
»Mach du es auf«, sagte sie.
Obwohl Hanne Wilhelmsen das Gefühl gehabt hatte, daß Anhaltspunkte
auftauchen würden, wenn sie die Villa der Familie Halvorsrud nur gründlich
genug unter die Lupe nehmen würden, so war der Inhalt des abgeschabten
Medizinschränkchens doch von der Sorte, die sie für fast eine halbe Minute
verstummen ließ.
»Ja, verdammt«, sagte Billy T. schließlich.
»Das kannst du wohl sagen«, sagte Hanne.
In dem ungefähr einen halben Meter hohen und vielleicht vierzig Zentimeter
breiten Schränkchen gab es keine Regalfächer mehr. Die waren entfernt
worden, um dicken, in Plastikfolie gewickelten Bündeln von Geldscheinen und
vielleicht fünfzehn bis zwanzig Computerdisketten Platz zu machen. Als
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