Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
über die Galerien im dritten Stock, in der gelben Zone,
lief. Andererseits: Sie hatte noch immer keine Vorstellung davon, was sie zum
Abendessen kochen sollte.
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Die Strömung hatte Stäle Salvesens sterbliche Überreste bis an die
Fjordmündung getragen. Bei der Begegnung von Meer und Fjord entstanden
Wirbel, die mit der Leiche spielten, so lange es ihnen Spaß machte. Als sie
dieses Spiel dann satt hatten, preßten sie sie nach unten.
In zweiunddreißig Meter Tiefe lag ein alter, an die fünfzig Fuß großer
Fischkutter. Er lag dort seit einer rauhen Winternacht des Jahres 1952 und
war schon längst zu einem beliebten Ziel für Amateurtaucher geworden. Die
Aufbauten waren verschwunden. Das solide Steuerrad aus Eichenholz hatte
ein Junge in den sechziger Jahren abmontiert. Töpfe und Tiegel gab es nicht
mehr. Übrig war allein die
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leere Schale eines Schiffs mit einem Steuerhaus ohne Fensterscheiben.
Stäle Salvesen trug keinen Anorak mehr. Das Wasser hatte ihm dieses
Kleidungsstück abgestreift; jetzt wurde es zwei Kilometer weiter nördlich
gegen die Ufersteine geschlagen. Seine Stiefel jedoch hatte er noch. Sie saßen
fest wie in einem Vakuum, und als Stäle Salvesens rechtes Bein mit der
Strömung durch das Steuerhaus gezogen wurde, blieb der Stiefelschaft an
einem Haken hängen, den zu entfernen sich niemand die Mühe gemacht hatte.
Er sah aus wie ein vierarmiger Seestern, als er im märzkalten Meerwasser auf
und ab wogte.
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Sie hatte es schon gespürt, als sie durch den Garten gegangen waren, sie mit
etwas zu hohen Stiefelabsätzen im groben Kies, Billy T. mit einer
verschlissenen Lederjacke, die er zuknöpfte, während er leise den scharfen
Wind verfluchte.
»Hier ist etwas«, sagte Hanne Wilhelmsen verbissen zu Billy T. »Ich weiß, daß
hier etwas ist.«
»Jetzt haben vier Mann das Haus drei Stunden lang durchsucht«, protestierte
er. »Null und nichts. Das einzig Verdächtige, das wir gefunden haben, sind ein
Waschlappen, der laut Karianne ins Chlorbad gehört, und zwei Softpor-nos
unter dem Bett des Knaben.«
»Wo stecken die eigentlich?«
»Wer?«
»Die Kinder. Wo sind sie, und wer kümmert sich um sie?« »Ach, die Kinder.
Der Älteste ist auf Klassenfahrt in Prag. Die beiden anderen sind mit einer
Tante oder so
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am Mittelmeer. Dem Teufel sei Dank, sag ich da nur. Gut, daß sie gestern
abend nicht hier waren. Alles ist unter Kontrolle. Pastoren und Psychologen
sind auf Staatskosten schon auf Reisen gegangen. Wir gehen davon aus, daß
die Kinder im Laufe des Wochenendes nach Hause geholt werden.«
»Arme Wichte«, murmelte Hanne und hockte sich vor den Kamin in
Staatsanwalt Halvorsruds Wohnzimmer. »Du mußt sie vernehmen, du. Wo du
so gut mit Kindern umgehen kannst.«
»Wieso Kinder? Das sind doch schon Teenies.«
»Hier waren einfach zwei Sicherungen durchgebrannt.«
Mit steifen Bewegungen richtete Hanne sich auf und merkte, daß ihr linker
Fuß eingeschlafen war. Sie stampfte leicht damit auf und drehte sich zu einer
Kollegin um, die sie noch nie gesehen zu haben glaubte.
»Ganz von selbst? Ich meine, aus natürlichen Ursachen? Überlastung?«
»Schwer zu sagen«, erwiderte die Oberwachtmeisterin mit einem Eifer, über
den Hanne sich ärgerte. »Der Sicherungskasten ist von der modernen Sorte.
Solche Ewigkeitssicherungen, weißt du, wo einfach ein Schalter hoch und
runter geklappt wird. Aber natürlich kann jemand das Erdgeschoß ganz
bewußt in Dunkelheit gestürzt haben.«
Es ging jetzt auf den Abend zu. Hanne spürte, daß sie sich dem Punkt näherte,
wo sie ohne Pillen unmöglich schlafen konnte. Früher hatte sie drei Tage
durchgehalten, mit nur einem kurzen Nickerchen dann und wann. Auch das
hatte sich verändert. Eine durchwachte Nacht wie die vergangene, und der
Körper sagte am nächsten Tag dann einfach Schluß, aus. Sie unterdrückte ein
Gähnen.
»Was den Computer im Arbeitszimmer angeht«, sagte die Frau in der
Türöffnung. »Da ist etwas. . . seltsam könnte man sagen.«
»Seltsam.«
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Hanne schaute die Oberwachtmeisterin an und wiederholte: »Seltsam. Na gut.
Und was ist so seltsam?« »Er ist ganz leer«, sagte die Frau und errötete. »Und
das bedeutet?« »Naja, was es bedeutet. . . «
Die Frau wand sich. Und war noch immer rot. Aber sie gab nicht auf.
»Es ist seltsam, daß ein Computer, der vielbenutzt aussieht, mit schmutziger
Tastatur und Fingerabdrücken auf dem Bildschirm, rein gar nichts
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