Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
Jungen immerhin auf andere Gedanken.
»O Scheiße... über dreizehnhundert Lappen!«
Die Scheine waren triefnaß. Aber unversehrt und echt, soweit er das beurteilen
konnte. »Stäle Salvesen« stand unter dem fast verwischten Bild im
Führerschein.
Bei diesem Wetter war hier draußen kein Schwein unterwegs. Nur er. Zwei
Fünfhunderter, drei Hunderter und ein Fünfziger verschwanden in seiner
Hosentasche. Er legte sich auf den Bauch und stopfte den Anorak in den Hohl-
raum, den das Wasser im Laufe der Jahrtausende unter dem Felsen gegraben
hatte. Dann legte er drei große Steine darauf. Er steckte den Führerschein in
die Brieftasche, betrachtete sein zerfetztes Hosenbein mit den Blut- und Tang-
flecken, richtete sich auf, holte tief Luft und schleuderte die Brieftasche dieses Stäle-Heinis weit übers Meer.
»Fuck you, Terese«, brüllte die Jungenstimme beim Sprung vom Felsen zum
Festland.
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»Sie ist ja ziemlich zusammengestaucht worden«, sagte Billy T. und lud sich
Lasagne auf den Teller. »Und wenn du mehr Ärger gemacht hättest, wäre es
sicher noch schlimmer geworden. Aber immerhin ist der Typ für drei Wochen
eingebuchtet. Wenn er allerdings kein Oberstaatsanwalt wäre, dann hätten wir
wohl acht gekriegt. Oder was?«
Er reichte die Auflaufform an Karen Borg weiter.
»Sie ist ziemlich tüchtig«, sagte Karen ruhig. »Ist sie neu?«
»Ist seit drei Monaten bei uns. Nette Frau, diese Annmari Skar. Hat an der
Polizeischule angefangen und nebenbei Jura studiert. Dabei kommen gute
Polizeijuristen raus.«
Tone-Marit Steen schüttelte den Kopf und faßte sich an den Bauch, als Karen
ihr die Schüssel hinhielt. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
»Wann ist eigentlich euer Stichtag?«
Häkon Sand legte im Specksteinkamin Holz nach und fluchte leise, als er sich
am Funkenschirm verbrannte.
»In einer Woche«, stöhnte Tone-Marit, deren Gesicht plötzlich rot und feucht
wurde. »Aber ich glaube, sie kommt vielleicht früher.«
»Er«, sagte Billy so schnell, daß Tomatensoße aus seinem Mund über die
weiße Tischdecke spritzte. »Verdammt. Entschuldigung. Der Junge kommt,
wenn er so weit ist. An diesen Terminquatsch glaub ich nicht eine Sekunde!«
»Oi«, sagte Tone-Marit.
Eine Lache breitete sich zwischen ihren Beinen aus. Ihr rotes Umstandskleid
war bereits dunkel vor Nässe. »Huch«, sagte Karen.
»Arzt«, brüllte Billy T. »Krankenhaus! Häkon!«
»Was soll ich denn machen?« schrie Häkon, er hielt ein
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Holzscheit in der einen und einen Schürhaken in der anderen Hand. Uber
seinem inzwischen recht umfangreichen Bauch trug er eine grüne Schürze mit
der in kindlichen Filzbuchstaben aufgenähten Aufschrift »Koch Sand«. Auf
seinem Kopf thronte eine altmodische Kochmütze, die ihm Ähnlichkeit mit
einem molligen Kerzenhalter gab. »Sie kommt«, stöhnte Tone-Marit.
»Er muß warten, zum Henker«, brüllte Billy T. und stürzte auf den Flur, um
Mantel und Autoschlüssel zu holen. »Karen. Sie kommt.«
Tone-Marit lag jetzt auf dem Boden. Sie spreizte die Beine und ließ sich von
Karen Strumpfhose und Unterhose ausziehen.
»Verdammt«, sagte Häkon.
»O Teufel«, jammerte Billy T.
»Wasser kochen«, fiel es Häkon ein.
»Wozu denn?«, klagte Billy T.
»Hol Leinenwäsche«, sagte Karen. »Und, ja, mach Wasser heiß, nicht viel, das
dauert sonst so lange. Leg die Geflügelschere ins Wasser.«
»Die Geflügelschere«, murmelte Häkon, dankbar, weil er endlich in seiner
eigenen Domäne eingesetzt wurde.
»Ruf das Krankenhaus an, Billy T.«
Karen Borg erhob sich und versetzte dem Riesen, der hilflos dastand und mit
den Wagenschlüsseln klapperte, einen Stoß.
»Laß einen Krankenwagen kommen. Ich glaube, wir können es noch
schaffen.«
»Nein«, fauchte Tone-Marit durch zusammengebissene Zähne. »Hört ihr denn
nicht? Sie kommt! Jetzt!«
»Du hast schon vier Kinder«, schimpfte Häkon den blaß gewordenen Billy T.
aus. »Jetzt reiß dich zusammen!«
Was sie alle nicht wußten, war, daß Billy T. bei der Geburt seiner Kinder nicht
zugegen gewesen war. Von der
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Existenz des jüngsten, Truls, hatte er erst drei Monate nach der Entbindung
erfahren. Truls war - wie seine drei älteren Brüder Nicolay, Alexander und
Peter — das Ergebnis einer kurzen Affäre, die lange vor Ablauf der neun
Monate ihr Ende gefunden hatte. Für Billy T. war ein neugeborenes Baby ein
duftendes, frischgewaschenes Wuschel in weißen Kleidern und
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