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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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wieder
    hier.«
    »Aber warte«, sagte Karianne. »Ich habe etwas...«
    Hanne hörte nicht zu. Sie lief zum Fahrstuhl und hinterließ nur den Geruch
    von Schweiß und altem Parfüm. Karianne Holbeck rümpfte die Nase. Sonst
    roch Hanne Wilhelmsen doch immer so gut.
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    Hausmeister Ole Monrad Karisen war außer sich. Er hatte die Polizei noch nie
    leiden können. Er mochte überhaupt keine Behörden leiden. Mit
    dreiundzwanzig Jahren, 1947, war er nach Norwegen zurückgekehrt, nachdem
    er bereits mit fünfzehn zur See gegangen war. Sofort wurde er zum Militär
    einberufen. Das könne doch nicht sein, meinte er; er war 1943 und im Januar
    1945 torpediert worden und glaubte, schon längst seine Pflicht für das
    Vaterland abgeleistet zu haben. Die Militärbehörden sahen das anders. Ole
    Monrad Karisen mußte zur Fahne und verlor den Job, den die Reederei ihm
    an Land besorgt hatte.
    Der Polizist hatte Stäle für tot gehalten.
    Obwohl Ole Monrad Karisen nicht so recht fassen konnte, daß sein einziger
    Freund nicht mehr lebte, sah er doch die Logik des Ganzen. Jetzt fand so vieles
    seine Erklärung. Er saß am Küchentisch, trank pechschwarzen Kaffee mit
    einem Schuß Eau de Vie, zerdrückte eine Träne und sprach ein stilles Gebet
    für Stäle Salvesen.
    Der ein guter Mann gewesen war.
    Stäle hatte ihm zugehört. Stäle hatte Ole Monrad Karisen dazu gebracht, vom
    Krieg zu erzählen. Das hatte er noch nie getan. Niemandem hatte er davon
    erzählt, nicht einmal
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    Klara, die Karisen 1952 geheiratet und mit der er sein Bett geteilt hatte, bis sie an einem Wintermorgen des Jahres 1979 nicht mehr wachzubekommen war.
    Sie hatten niemals Kinder gehabt, aber Klara hatte ihm ein ruhiges Gefühl von
    Zufriedenheit geschenkt, das nicht durch überflüssiges Gerede über
    Katastrophen zerstört werden sollte, die er vor so vielen Jahren durchlebt
    hatte.
    Doch der Krieg hatte sich an ihn herangeschlichen. Die Kräfte, mit denen er
    alles verdrängt hatte, schienen erschöpft zu sein, und immer häufiger fuhr er
    nachts aus entsetzlichen Träumen über Wasser aus dem Schlaf; eiskaltes
    Wasser und ertrinkende, schreiende Kameraden.
    Stäle hatte zugehört. Stäle hatte ihm ab und zu eine Flasche Schnaps
    zugesteckt; nicht, daß Karisen ein Trinker wäre, aber ein Tropfen im Kaffee
    hatte ihm immer sehr gut geschmeckt. Stäles Leben war von den Behörden
    ruiniert worden, so wie Karisen eine gute Stelle an Land verpaßt hatte, weil
    verdammte Bürokraten sich kein Bild davon machen konnten, wie das Leben
    eines Kriegsmatrosen ausgesehen hatte.
    Karisen freute sich darüber, daß er den Polizisten nicht in die Wohnung
    gelassen hatte. Der hatte dort nichts zu suchen. Ole Monrad Karisen hatte in
    seinem ganzen Leben nichts Ungesetzliches getan, und er entschied selbst
    über sich und alles, was ihm gehörte. Bald würde er in den Keller gehen und
    nachsehen, ob dort alles in Ordnung war. Das schuldete er seinem guten
    Freund Stäle Salvesen.
    Er wischte sich mit seinem verwitterten Handrücken noch eine Träne ab und
    goß einen guten Schuß Schnaps in seine Tasse.
    »Friede sei mit dir«, flüsterte er und trank dem leeren Stuhl auf der anderen
    Seite des Küchentisches zu. »Ich hoffe, es geht dir gut, da, wo du jetzt bist.
    Jaja, das hoffe ich wirklich.«
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    Ein Sniffer schleppte sich durch die Akersgate. Seine Knie waren nach
    fünfzehn Jahren Schnüffelei ruiniert, und er hatte sich einen wiegenden,
    schleppenden Gang zugelegt. Evald Bromo nahm den Lynolgestank wahr,
    noch ehe er den Mann entdeckt hatte, und wandte mit plötzlich aufsteigender
    Übelkeit das Gesicht ab.
    »Hasse ma zehn Eier«, nuschelte der Mann und streckte eine magere,
    verdreckte Hand aus.
    Evald Bromo wollte nicht stehenbleiben. Aus Erfahrung wußte er jedoch, daß
    er den Mann mit Geld am schnellsten loswerden würde. Er verlangsamte sein
    Tempo und griff mit der rechten Hand in die Hosentasche. Dort fand er ein
    Zwanzigkronenstück und starrte es einen Moment lang an, dann schüttelte er
    kurz den Kopf und reichte es dem übelriechenden Mann. Diese Gabe schien
    überraschend zu kommen. Der Mann ließ die Münze fallen und schwankte
    unentschlossen hin und her, als habe er nicht begriffen, wo das Geld geblieben
    war. Evald Bromo bückte sich ärgerlich, um ihm zu helfen. Vielleicht sah es
    aus, als wolle er das Geld wieder einstecken, auf jeden Fall setzte sich nun
    auch der Sniffer in Bewegung. Die Köpfe der Männer schlugen gegeneinander,
    und

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