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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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und nach einem knappen Jahr
    entlassen. Eivind Torsvik war mit diesem Strafmaß offenbar nicht zufrieden.
    Nachdem er den Mann ermordet hatte, stellte er sich selbst der Polizei und
    bekannte sich schuldig. Komischer Knabe, ich kann mich gut an ihn erinnern.
    Hochintelligent, freundlich (wenn auch nicht zu seinem Pflegevater), kurz
    gesagt, ein junger Mann, den man einfach gern haben mußte. Vor Gericht
    sagte er, er habe mit dem Mord an seinem Pflegevater bis zu seinem
    achtzehnten Geburtstag gewartet, weil er seine Strafe als Erwachsener auf
    sich nehmen wollte. Seither hat er als Schriftsteller Erfolg gehabt. Vielleicht hast du was von ihm gelesen. »Rotlicht in Amsterdam« war hierzulande und
    auch anderswo ein Riesenerfolg.
    Also, Eivind Torsvik und zwei der anderen Täter aus der beige

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    legten Übersicht befinden sich auf freiem Fuß. Alle diese Morde haben eine
    Art sexueller Prägung. Mißhandlung, Provokation, Homosexuellenhaß,
    Vergewaltigung. Sowas.
    Aber hältst du Doris Halvorsrud wirklich für eine Sittlichkeitsverbrecherin?
    Kaum... Wenn du darauf bestehst, dann weite ich meine Suche auf ganz
    Skandinavien aus. In Schweden hatten sie auch ein paar üble Fälle, unter
    anderem den berühmten »Zerstückelungsmord«, bei dem eine Prostituierte
    umgebracht und zerlegt wurde. Zeitverschwendung, wenn du mich fragst.
    Aber das tust du ja nicht!
    Hab ein so erträgliches Wochenende wie möglich, wir sehen uns am Montag.
    Oder früher, wenn du willst. Tone-Marit und die Kleine kommen heute aus
    dem Krankenhaus. Aber für ein paar Stunden kann ich mich trotzdem
    losmachen. Ruf einfach an.
    Es klopfte an der Tür.
    »Herein«, murmelte Hanne.
    Es wurde wieder geklopft.
    »Herein, sag ich doch.«
    Ein Anwärter öffnete die Tür. Hanne Wilhelmsen kannte sein Gesicht, konnte
    sich jedoch nicht an seinen Namen erinnern.
    »Ja?«
    »Ich soll aus dem Arrest grüßen«, sagte der Anwärter. »Danke. Gruß zurück.«
    »Es geht um Halvorsrud.«
    »Ja«, sagte Hanne noch einmal. »Was ist mit ihm?«
    »Er will unbedingt mit dir sprechen. Ich wußte nicht, daß du hier bist, deshalb
    habe ich dir zu Hause etwas auf den Anrufbeantworter gesprochen. Das kannst
    du jetzt natürlich vergessen. . . «
    »Was will er?«
    Der junge Mann sah unschlüssig aus, er schien nicht so recht zu wissen, ob es
    der Mühe wert war, sie so spät am Samstagabend zu stören.
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    »Angeblich will er ein Geständnis ablegen«, sagte der Junge und legte den
    Kopf schräg, während er sich am Ohrläppchen zog. »Er will mit dir reden, sagt
    er, und daß es eilt. . . « Das Ohrläppchen wurde röter und röter.
    Der Junge lächelte verlegen und wollte wieder gehen.
    »Hast du seine Anwältin angerufen?« fragte Hanne scharf.
    Der Anwärter blieb stehen.
    »Neijein«, sagte er. »Sollte ich das?«
    »Ja. Jetzt sofort. Karen Borg. Holmenveien 12. Ruf sie zu Hause an.«
    Plötzlich kam sie sich bemerkenswert wach vor. Das Blut strömte heiß durch
    ihre Wangen, während sie zum Arrest lief. Halvorsrud durfte nicht gestehen.
    Der Ausflug zur Staure-Brücke hatte Hanne Wilhelmsen in ihrem Glauben an
    Sigurd Halvorsruds Unschuld bestätigt. Sie konnte sich allerdings nicht
    erklären, warum. Vielleicht lag es an der Brückenkonstruktion. Vielleicht war
    es auch nur ein Gefühl, eine Klarheit, die sie in der offenen Landschaft
    überkommen hatte, weit weg von allem, das sie hier in der Stadt bedrohte. Sie
    wußte es nicht, empfand es deshalb aber nur stärker.
    Halvorsrud durfte nicht gestehen.
    Hanne Wilhelmsen hatte schon einmal zugelassen, daß ein vermutlich
    unschuldiger Mensch wegen Mordes verurteilt worden war. Maren Kalsvik
    war zu vierzehn Jahren Haft verurteilt worden. Weil sie gestanden hatte. Weil
    sie ihre Chefin ermordet haben konnte. Weil es die einfachste Lösung für alle
    war — für Polizei, Presse, Gericht, für alle —, Maren Kalsvik ins Gefängnis
    wandern zu lassen. Hanne hatte versucht, ihre Zweifel in dem umfassenden,
    vorbehaltlosen Geständnis zu ertränken, das später niemals widerrufen
    worden war. Sie hatte nie das Gefühl unterdrücken können, versagt zu haben.
    Der Mord an der Kinderheimleiterin Agnes Vestavik, der
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    1994 geschehen war, war zu grotesk gewesen, um ungelöst liegenbleiben zu
    dürfen. Maren Kalsvik war bereit gewesen, Buße zu tun, vielleicht
    stellvertretend für alle anderen. Etwas Vergleichbares durfte nie wieder
    geschehen.
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    Evald Bromo war zu Bett gegangen. Es war Samstag abend und

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