Holunderküsschen (German Edition)
sich dunkelrot vor Scham. Gott sei Dank trage ich Make-up! Benni feixt sich bestimmt einen.
„Julia ...“ Er kommt einen Schritt auf mich zu.
Mein Herz beginnt schneller zu schlagen.
„Ich habe über alles nachgedacht. Über uns, über das, was du gesagt hast , über unsere Situ a tion. Einfach über alles.“ Er beobachtet mich mit ernster Miene an. „Äh, willst du nicht die So n nenbrille abnehmen?“
„Nein, die Brille gehört zu meinem Outfit.“
Ich bin ein bisschen überrascht und auch ein bisschen ängstlich vor dem, was jetzt kommt.
„Na dann ...! Ich möchte dir jedenfalls sagen ...“
„Ein bisschen spät, findest du nicht?“
Benni runzelt die Stirn. „Hoffentlich nicht zu spät?“ Ich zucke gleichgültig mit den Schu l tern. Jetzt nur nicht schwach werden! „Ich finde, ich bin dir eine Erklärung schuldig.“ Er nimmt meinen Arm. Von den Stellen wo sich unsere Haut berührt rieseln wohlige Gänsehautschauer über meinen Arm.
„Du bist mir überhaupt nichts schuldig.“ Ich hebe stolz mein Kinn.
Benni seufzt. „Julia, ich möchte mich nicht mit dir streiten. Ich würde dir gerne erklären, was damals los war.“
Ich entwinde ihm den Arm. „Es ist alles gesagt worden, was gesagt werden musste.“
„Nein, ist es nicht. Irgendwie ist damals alles schief gelaufen.“ Benni rauft sich die Haare. „Ich möchte, dass du mir zuhörst. Bitte!“
„Aber vielleicht möchte ich nicht zuhören“, entgegne ich schnippisch. Wie hat Harald i m mer gesagt: „Du musst dich interessant machen! Sei eine Diva!“ Ich spiele divenmäßig an meiner Halskette.
Benni zieht die Augenbraue nach oben. „Julia, bitte.“ Wir stehen uns gegenüber wie Co w boys bei einem Duell. Natürlich will ich hören, was mir Benni zu sagen hat. Außerdem hat Benni zweimal „Bitte“ gesagt.
„In Ordnung. Schieß los, aber mach schnell . I ch habe schließlich nicht den ganzen Abend Zeit.“ Zugegeben, das war ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt, schließlich ist Benni heute die Hauptperson . Ab er das spielt im Moment keine Rolle. Jedenfalls nicht für mich.
Benni führt mich schweigend an ein ruhiges Plätzchen etwas abseits des Trubels. Während wir gehen, schlägt mir das Herz bis in die Ohrläppchen. Mein ganzer Körper prickelt und mein Magen macht wieder mal einen Purzelbaum nach dem anderen. Ich habe Angst.
„Okay.“ Benni wendet sich mir zu. „Also dann.“ Er atmet tief ein und nimmt meine Hand. Dabei sieht er mir fest in die Augen und ich fühle wie ich schwach werde und mein künstlich aufgebauter Stolz zu bröckeln beginnt. Diese Augen! Ich beginne mich darin zu verlieren.
„Damit du mich besser verstehst, fange ich am besten ganz von vorne an." Er sieht mich fragend an. Ich nicke im stillen Einverständnis. „Mein Vater starb kurz nach Ariannes Geburt bei einem Autounfall. Er hinterließ meiner Mutter einen alten Mercedes und ein marodes kleines Verlagshaus, das er kurz zuvor erworben hatte ohne meiner Mutter davon zu berichten. Du kannst dir vorstellen, dass meine Mutter zunächst ganz schön geschockt war. Ihr gesamtes Ve r mögen steckt in einem Verlagshaus von dessen Existenz und Leitung sie bis zu diesem Moment keine Ahnung hatte.“ Benni macht eine kurze Pause.
In meinem Kopf dreht sich alles.
„Aber meine Mutter ist eine Kämpfernatur. Sie war fest entschlossen, alles alleine zu scha f fen. Also hat sie mich und Arianne in ein Internat in ihrer Nähe gesteckt und sich dann kopfüber in die Arbeit gestürzt.“
„Das wusste ich nicht. Ich dachte, du wärst bei deiner Mutter groß geworden. Ich habe Bi l der gesehen ... von euch." Ich starre ihn verwirrt an.
„Niemand in der Öffentlichkeit wusste von uns, nur einige wenige Verwandte kannten den Plan meiner Mutter. Schließlich hatte meine Mutter, um uns zu schützen, wieder ihren Mädche n namen »Hirsekorn« angenommen . Während wir den Namen unseres Vaters nämlich »Wagner« behielten.“ Benni starrt einige Sekunden lang auf den Boden.
Ich denke an meine Eltern. Wie behütet ich groß geworden bin! Stets geliebt und umsorgt. Wie schrecklich muss sich der kleine Benni gefühlt haben, erst den Vater verloren zu haben, um dann von der geliebten Mutter ins Internat abgeschoben zu werden?! Ich nehme mir vor noch heute Abend meine Eltern anzurufen.
„Es hat mir nichts ausgemacht“, sagt Benni, als könne er meine Gedanken lesen. „Schlie ß lich waren Arianne und ich ja noch zusammen. Meine Mutter ist einer der
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