Holunderküsschen (German Edition)
drücke ich die Klin k e nach unten und trete ein.
Zu meiner Überraschung erwartet mich anstatt eines Büros ein großer, lichtdurchfluteter Raum ohne Schreibtisch. An den Wänden hängen überdimensional große Fotografien. Intere s siert trete ich näher und betrachte eines der Bilder. Wunderschön und sehr ausdrucksstark. Das leichte Blau des Himmels ist die einzige Farbe in der sonst einfarbigen Fotografie und intens i viert so den Ausdruck des Bildes. Ich bin ernsthaft beeindruckt.
„Kann ich etwas für Sie tun?“, schreckt mich eine leicht rauchig klingende Stimme aus meiner Betrachtung. Hastig drehe ich mich um. Vor mir steht eine junge Frau, die mich mit ihrem Kurzhaarschnitt und den ausdrucksvollen Rehaugen an die Schauspielerin Emma Watson eri n nert. Sie ist schlank wie eine Gerte. Ich schätze sie auf Mitte zwanzig. Ihre Kleidung ist eher l e ger. Wie eine Assistentin sieht sie nicht gerade aus, eher wie eine Kunststudentin im ersten S e mester.
„Tja, äh ... die Tür stand offen und ich habe durch Zufall eines der Bilder an der Wand g e sehen ... “, lüge ich. „Tolle Fotografien! Haben Sie die gemacht?“ Schön locker bleiben.
Sie schüttelt den Kopf. „Nein, das sind Arbeiten von Benjamin Wagner. Das hier ist sein Studio.“ Ein verklärtes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Mist, die Frau ist völlig verknallt in Benni. „Aber kann ich Ihnen weiterhelfen?“, fährt sie fort.
„Äh, wie gesagt, eigentlich wollte ich etwas kopieren,“ Ich deute auf ein paar Papiere in meiner Hand, „aber dann habe ich das Bild gesehen und wollte es mir unbedingt aus der Nähe ansehen.“ Laura nickt verständnisvoll. „Die Tür stand offen, deshalb bin ich einfach reingega n gen. Bitte verzeihen Sie.“
„Kein Problem. Ben ist zur Zeit leider nicht im Atelier, aber wenn es Sie interessiert, führe ich Sie herum. Einige seiner besten Werke hängen weiter hinten.“
„Das wäre wirklich klasse!“ Ich strahle sie an. Der erste Schritt zur gemeinsamen Verbrüd e rung wäre gemacht. Wir werden Freundinnen, ich kann es spüren. „Aber nur, wenn es Ihnen ke i ne Umstände bereitet.“
„ K ein Problem“, winkt sie ab. „Heute ist es relativ ruhig.“ Sie deutet auf das Telefon in der Nähe des Eingangs. „Interessieren Sie sich für Fotografie oder fotografieren Sie selbst?“, fragt sie mich.
Ich stocke, meine grauen Zellen arbeiten auf Hochtouren. Soll ich ihr die Wahrheit sagen oder ihr eine kleine Lüge auftischen? Ich entscheide mich für die Wahrheit.
„Nein, weder noch. Um ehrlich zu sein, arbeite ich im vierzehnten Stock für das Reisem a gazin Holiday Dream . “
„Aber dann müssen sie Ben doch kennen! Er arbeitet als freier Fotograf für die Zeitschrift. Groß, sportlich, die unglaublichsten braunen Augen, die sie jemals gesehen haben ! “
„Ach, natürlich! Benjamin!“ Ich schlage mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Wie konnte ich nur so doof sein.“ Ich muss sagen, meine schauspielerische Leistung hätte einen Os c ar verdient. „Klar kenne ich den. Ist ja auch schwer, einen solchen Mann zu übersehen.“
Laura mustert mich nachdenklich. „Aber warum kommen Sie in den zehnten Stock um K o pien zu machen? Soweit ich weiß, haben die bei Holiday Dream mehrere Kopierer.“
Mist! Jetzt nur schnell reden. „Ja, stimmt. Aber bei uns herrscht kompletter Stromausfall. Nichts geht mehr und da dachte ich mir, ich gehe mal in eines der anderen Stockwerke und schaue nach, ob da vielleicht ein Kopierer steht, den ich benutzen kann.“
Die sorgfältig gezupfte Augenbraue von Bennis Assistentin schnellt nach oben.
„Sind Sie etwa die neue Kollegin aus der Redaktion?“
Ich nicke fröhlich.
„Genau die, Julia Löhmer.“ Und reiche ihr die Hand.
„Okay, das erklärt E iniges“, antwortet Laura und wirkt ein wenig überrascht.
„Aber Sie haben mir noch gar nicht gesagt, wer Sie sind“ , n ehme ich das Zepter zurück in die Hand.
„Laura Bilen“, stellt sie sich vor und lächelt mich dabei an. „Seine persönliche Assistentin. Na ja, eigentlich bin ich eher so etwas wie eine Freundin, die ihm hilft wenn er selber keine Zeit hat.“
„Ich wusste gar nicht, dass Benjamin ein eigenes Fotostudio hat. Ich dachte Benjamin arbe i tet ausschließlich als freier Fotograf für die verschiedenen Zeitschriften.“
Laura nickt. „Das Studio hier ist auch relativ neu. War so ‘ne Art Glücksfall, als ihm die Hirsekorn die Räume angeboten hat.“
„Ach was, das
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