Holz und Elfenbein
Augen aus dem Kopf weinen und Alexis wäre gezwungen ihn stundenlang in den Armen zu halten bis er sich beruhigt hatte und schlafen konnte.
»Das tut mir so Leid.« Sie drückte seine linke Hand und Federico zwang sich zu lächeln. »Wo gehst du jetzt hin?«
»Zu Alexis.«
»Oh.« Wieder blickte sie schnell zur Seite, doch sie fing sich gleich wieder. »Falls du noch irgendwie Hilfe brauchst...«
Dankend ging er auf das Angebot ein und erzählt ihr von seinem Plan die restlichen Prüfungen zu schreiben. Natürlich würde sie ihm ihre Unterlagen zur Verfügung stellen oder auch mit ihm lernen.
»Danke... Bist du wütend auf mich?« Er konnte sich die Frage nicht verkneifen. Schließlich war er lange Zeit Klaras Schwarm gewesen, hatte nie auf ihre Anspielungen oder Flirts reagiert, aber sich dann innerhalb kurzer Zeit Alexis zugewandt. Er würde es ihr nicht verübeln, wenn sie ihn nicht mehr leiden konnte.
»Nein, warum denn!« Sie war ehrlich überrascht bei dieser Frage. »Das ist okay.« Aber so ganz ›okay‹ schien es nicht zu sein, denn ihre Augen schimmerten feucht. Wie lange hatte sie wohl von einer Beziehung mit ihm geträumt? »Um mich musst du dir ganz bestimmt keine Sorgen machen.«
Klara blieb noch und sie war es auch, die Alexis darauf aufmerksam machte, was Federico in die Kiste mit der Beschriftung ›Müll‹ gepackt hatte.
»Es sind seine Noten«, erklärte sie. Federico und Claude besorgten gerade Kaffee und Croissants, so dass Alexis und Klara ungestört waren.
Alexis blätterte durch die Bände, Notenhefte und losen Papiere. »Das will er alles auf den Müll werfen?«
»Ja, ich habe ihn noch gefragt, aber er meinte, dass es keinen Sinn hätte sie aufzuheben. Kannst du sie nicht nehmen? Es wäre zu schade und vielleicht braucht er sie einmal wieder.«
Alexis hörte kaum, was sie gesagt hatte. Seine Finger hatten die zerfaserten Kanten von Papier gestreift und als er sah, was Federico da voller Wut zerrissen hatte: »Das ist Robert Schumanns Klavierkonzert.« Er fischte die Schnipsel aus dem Karton und breitete sie auf dem Tisch aus. Es brach ihm förmlich das Herz.
»Federico kann... konnte dieses Konzert spielen seit er fünfzehn ist, aber er fühlte sich nie bereit dazu es aufzuführen. Schumann wäre etwas ganz Besonderes, man müsste seine Seele beim Spielen offenbaren, sein Innerstes freilegen, hat er mir einmal erklärt. Es war sein Traum es einmal aufführen zu können, wenn er sich selbst für gut genug dafür befunden hatte.« Alexis wusste nicht, warum er ihr dies überhaupt erzählte.
Klara antwortete nicht. Doch wurde ihr bewusst, was es bedeutete, dass Federico ausgerechnet diese Notenblätter zerrissen hatte. Federico glaubte selbst nicht mehr daran, dass er je wieder Klavier spielen und ein Konzert geben konnte.
»Glaubst du, dass er einmal wieder spielen kann?«
»Ich hoffe es.« Alexis griff nach einem Filzstift, der auf dem Küchentisch neben dem Klebeband lag und malte ein Kreuz auf den Karton, damit er ihn ganz sicher wiedererkennen würde und ihn vor dem Altpapiercontainer retten konnte.
»Federico hat schon immer Menschen gebraucht, die ihn motivieren und zu seinem Glück drängen. Das musst du jetzt tun!« Sie drohte ihm mit erhobenem Finger und ihr Blick war durch und durch ernsthaft.
»Ich gebe mir Mühe.«
»Das will ich hoffen.«
Gegen Mittag waren dann auch die letzten Hefte, Bücher und Kleidungsstücke verstaut. Sie hätten nicht so lange gebraucht, doch noch so mancher der Studenten wollte sich von Federico verabschieden, ihm alles Gute für die Zukunft wünschen. Alexis hatte immer geglaubt, dass Federico ein Einzelgänger gewesen wäre, der nicht viele Freunde am Konservatorium hatte. Doch nun wurde er eines Besseren belehrt und niemand anderes als Federico selbst war darüber verwundert wie sehr die anderen an seinem Schicksal Anteil nahmen.
Doch zu guter Letzt blieben nur noch sie beide übrig, selbst Klara hatte sich verabschiedet und Claude war schon vorausgegangen um den Kombi zu Alexis‘ Wohnung zu fahren.
Als sie alleine waren, löste Federico den Schlüssel zur Wohnung von seinem Schlüsselbund und legte ihn auf den Küchentisch. »Claude wird den Rest erledigen.«
Alexis griff nach seiner Hand und blickte Federico forschend ins Gesicht.
Doch Federico zeigte keinerlei Regung. »Gehen wir«, entzog er ihm die Hand und trat auf den Flur hinaus.
Ausgerechnet auf dem Parkplatz begegneten sie dann noch Lucrezia, Federicos härteste
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