Holz und Elfenbein
erstklassigen, traditionellen Uhrenmanufakturen.
Schon im Foyer trafen sie die ersten Bekannten und waren unversehens in verschiedenste Gespräche verstrickt. Zu seiner Überraschung machte er Lucrezia unter den Gästen aus. Warum auch nicht. Wenn er eine Einladung erhalten hatte, warum dann nicht auch sie? Vielleicht war es ganz gut, dass Federico nicht mitgegangen war. Alexis wollte sich erst gar nicht ausmalen, was für Kommentare Lucrezia geäußert hätte, sofern Federico ebenfalls hier gewesen wäre. Und so wie sie ihn jetzt anblickte und gegenüber ihrer Gesprächspartnerin dezent auf ihn deutete, konnte er sich denken über was sie gerade tratschten. Natürlich sprach man hinter vorgehaltener Hand über ihn, so häufig waren Schwule in dieser Gesellschaft nun einmal auch wieder nicht. Und gerade noch er, wo sein Vater ein so einflussreicher Mann war, eine solche traditionsreiche Familie, und so weiter... Alexis konnte es sich gut ausmalen.
Als er nach einem Abstecher in das Nebenzimmer, wo das Buffet angerichtet war, wieder in den Saal zurückkam, wanderte sein Blick über die versammelte Gesellschaft. Er wollte sehen, wo Catherine gerade steckte. Da erstarrte Alexis mitten in der Bewegung, ebenso sein Lächeln, das er im Vorübergehen einer älteren Dame geschenkt hatte. Es gefror scheinbar auf seinem Gesicht und krampfhaft schluckte er, beinahe glaubte er sich übergeben zu müssen.
Henry, da vorn stand Henry!
Darauf war er nicht gefasst gewesen und schnell wandte sich Alexis ab, kehrte dem Mann, der ihn bis jetzt wohl noch nicht bemerkt hatte, den Rücken zu. Am liebsten würde Alexis den Empfang schleunigst verlassen und jedes Risiko eines Gesprächs mit seinem Ex vermeiden. Doch wollte und konnte er Catherine nicht alleine zurücklassen. Außerdem gebot ihm die Etikette, dass er noch mindestens eine Stunde bleiben sollte, um ihren Gastgeber nicht zu brüskieren oder für unnötiges Gerede über seine Person zu sorgen. Die hier versammelte Gesellschaft war ohnehin überraschend gut über sein Leben in Genf unterrichtet, wie er schon innerhalb der ersten Viertelstunde hatte feststellen müssen. Vielleicht war es sogar Lucrezia gewesen, die hierfür Sorge getragen hatte. Ob Henry es dann wohl auch wusste? Dass Alexis mit Federico zusammen war und sie sich eine Wohnung teilten? Wusste Henry wo sich seine Wohnung befand?
Alles bloß das nicht, Alexis stand nicht der Sinn nach einer Szene, wie er sie letztes Jahr in London erlebt hatte, wo Henry auf seiner Türschwelle aufgetaucht war. Alexis glaubte kaum, dass er sich noch einmal so unter Beherrschung haben würde wie damals. Noch einmal riskierte er einen Blick zurück, dabei tat er so als ob er sein Glas dem vorbeieilenden Kellner auf das Tablett stellen wollte. Ja, da war er noch immer. Nicht, dass Alexis die Hoffnung gehabt hatte, Henry hätte sich einfach so in Luft aufgelöst und Alexis so die bitteren Umstände eines Wiedersehens erspart. Mit einem Mal wurde es ihm zu stickig in dem Raum. Catherine unterhielt sich mit der Tochter des Botschafters und würde ihn wohl nicht unbedingt vermissen, wenn er nach draußen in den Park ging.
Dort hatten sich bereits einige Männer zusammengefunden, die an ihren Zigaretten zogen. Niemand würde schlimmes denken, wenn er dort einige Zeit verbrachte und sich darüber den Kopf zerbrach, wie er gegenüber Henry auftreten sollte. Oder vielleicht tat ihm das Schicksal auch den Gefallen und Henry würde in der Zwischenzeit verschwunden sein. Was hatte dieser Hund überhaupt in Genf zu schaffen? Alexis hatte sich nach ihrer Trennung nicht mehr im Geringsten mit Henrys weiterer Karriere beschäftigt, und doch hielt er es für merkwürdig, dass der jetzt ausgerechnet in Genf auftauchte. Eine irrationale, bedrückende Wut übermannte ihn als er den säuberlich angelegten Kiesweg entlangging. Wut auf Henry, aber auch auf sich und seinen Körper. Warum reagierte er mit so heftigen körperlichen Reaktionen auf den Verflossenen? Keine Erregung, nein Gott bewahre, vielmehr dieses elendige, mutlose Gefühl, dass er ausgenutzt worden war. Alexis hatte geglaubt, dass er darüber hinweg wäre.
»Ah, Arrowfield.«
Er nickte den anderen zu, man kannte sich und schnell wurde auch ihm eine Zigarette angeboten. Im Grunde verabscheute Alexis den Geruch von Zigaretten doch jetzt nahm er ohne zu zögern an. Da erinnerte er sich mit einem Mal wieder. Damals in Brighton als er in diesem Hotelzimmer gesessen war. Henry mit seiner Frau
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