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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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Gerät aus der Hand und steckte es in die Dockingstation, die auf seinem Nachttisch stand.
    Schon tönte der kraftvolle Auftakt zum dritten Satz von Schumanns Klavierkonzert durch den Raum. Alexis wusste, dass dies ein Stück war, das Federico sehr viel bedeutete. Federico hatte immer davon geträumt, es einmal während eines Konzerts zu spielen. Nicht, dass es ihm an der nötigen Fähigkeit dazu gemangelt hätte, doch wie er selbst gesagt hatte, hatte er sich seelisch noch nicht dazu bereit gefühlt.
    Vor seinem inneren Auge sah Alexis den Karton angefüllt mit Notenblättern, die Federico in den Müll hatte werfen wollen. Darunter waren auch die zerrissenen Blätter von jenem Klavierkonzert gewesen. Damals hatte Federico buchstäblich seinen eigenen Traum abgeschrieben.
    Er konnte Federico einen gewissen Sinn für Melodramatik nicht absprechen, dass er ausgerechnet in der Nacht vor seiner Operation dieses Stück hörte.
    Federico schnaubte nur und schüttelte den Kopf als Alexis diese Beobachtung von sich gab. »Als ob es nur das wäre... Wie viel weißt du über Robert Schumann?«
    »Nicht sehr viel«, musste Alexis eingestehen. Schumann war nicht gerade ein Komponist, der viel für die Orgel geschrieben hatte. Alexis kannte aus seinem eigenen Klavierunterricht einige der obligatorischen Schumannschen Stücke: Die ›Träumerei‹ und das ›Album für die Jugend‹, doch er hatte sich nicht eingehender über das Leben des Komponisten informiert. Er wusste, dass Schumann im 19. Jahrhundert in Deutschland gelebt hatte, mehr dann auch wieder nicht.
    »Schumann wollte Klaviervirtuose werden, das war sein erklärtes Ziel, das er mit aller Macht verfolgt hat. Er hat täglich mehrere Stunden geübt und sich sogar mechanische Apparate ausgedacht, die seine Finger kräftigen sollten. Schließlich hat er eine Sehnenscheideentzündung bekommen.«
    Alexis schluckte bei diesen Worten unwillkürlich. Nach einer kurzen Pause erzählte Federico weiter. Alexis war es so als ob Federico nun von seiner eigenen Zukunft sprach: »Er ist nie ein Klaviervirtuose geworden; seine rechte Hand war nicht mehr zu gebrauchen gewesen.«
    Schweigend lauschten sie dem letzten Satz des Konzerts.
    »Dinu Lippatti hat diese Aufnahme eingespielt. Als er zwanzig war, wurde Leukämie bei ihm festgestellt und trotzdem hatte er immer weiter Klavier gespielt wie kein Zweiter.« Bei diesen Worten lächelte Federico sogar ein wenig. Also war er nicht völlig hoffnungslos. Alexis trank seinen Whisky leer und schloss Federico in die Arme. Wenig später waren sie beide eingeschlafen.

    Federico bewegte zögerlich die Finger. Es fühlte sich sehr, sehr merkwürdig für ihn an. Die Finger erschienen ihm allesamt kraftlos, wie Klaviersaiten, die zu locker eingespannt waren und in ihrem Rahmen durchhingen. Durch den Gipsverband hatte er seine rechte Hand in den letzten Wochen nur mäßig bewegen können, kein Wunder, dass die Muskeln und Sehnen nun zurückgebildet waren. Dr. Rhys-Weeks schien jedoch anderer Meinung zu sein, sie zeigte sich äußerst zufrieden als sie ein letztes Mal vor der Operation seine Hand untersuchte.
    »Ich werde auf jeden Fall das Ringband in ihrem Ringfinger durchtrennen und den Sehnenkanal im Mittelfinger... Wahrscheinlich wäre es auch am besten sich den Zeigefinger genauer anzuschauen, ich vermute...« Und so fuhr sie fort ihm den anstehenden Eingriff in allen Details zu schildern.
    Federico unterbrach sie. »Ich möchte das gar nicht so genau wissen.«
    »Ich muss Sie über alles aufklären, damit Sie Ihre Einverständniserklärung unterschreiben können.« Sie deutete auf das Klemmbrett mit dem besagten Schriftstück.
    »Ich lese es mir durch. Reicht das nicht aus?«, erwiderte er und wurde ungehalten. Augenblicklich tat es ihm leid, aber immerhin stand er auch vor einer Operation und wurde von Minute zu Minute nervöser. Es war geradezu ein Wunder gewesen, dass er in der Nacht noch ein paar Stunden Schlaf gefunden hatte. Vielleicht war der Whisky, den ihm Alexis verabreicht hatte, da nicht ganz unschuldig gewesen.
    »Vielleicht ist es besser, Sie geben ihm ein Sedativ.« Alexis hatte bis jetzt noch gar nicht viel gesagt, wie er überhaupt den ganzen Morgen lang schon recht wortkarg gewesen war, und hatte sich im Hintergrund gehalten.
    »Ich glaube, es würde Federico leichter fallen, wenn er nicht so viel von der Operation mitbekommt.« Eigentlich war so ein Dämmerschlaf nicht nötig, eine Lokalanästhesie war für die Operation

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