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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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Liu. Ang war dabei noch nicht einmal in ihrem Hotel untergebracht.
    »Das ist ja wohl die reinste Provokation«, bemerkte Federico und stand auf, um auf ihr Zimmer zurückzugehen. Er hatte es bis jetzt geradezu peinlichst vermieden sich die Vorträge der anderen Pianisten anzuhören. Das ging sogar so weit, dass Alexis immer umschalten musste, wenn im Fernsehen ein Bericht über den Wettbewerb kam.
    Alexis hielt ihn zurück. »Hör es dir an. Außerdem ist es äußerst interessant, dass er meint dich so beeindrucken zu müssen. Ang zeigt Nerven.«
    »Meinst du?«
    »Natürlich. Mit dem Walzer hast du ihnen allen Angst eingejagt.«
    »Mhm.« Federico lehnte sich zurück und lauschte angestrengt der Sonate in c-Moll. »Nicht schlecht«, meinte er dann abschließend als die übrigen Gäste des Hotels artig applaudierten und Ang sich vom Flügel erhob.
    Da begann Federico auf einmal zu grinsen. »Soll ich auch spielen?«, fragte er verschlagen.
    Alexis zog die Schulter nach oben: »Das musst du wissen.«
    Doch Federico war schon aufgesprungen und wechselte einige Worte mit dem Hotelpianisten, der sich gerade wieder an seinen Flügel setzen wollte. Ang sah es und hielt sich mit seinem Anhang bestehend aus Dolmetscher, chinesischen Reportern und seinem Dozenten auffällig nahe am Flügel.
    Federico lächelte seinem Konkurrenten spöttisch zu und dann begann er zu spielen. Es war kein Chopin, es war überhaupt kein Stück, das auf dem Wettbewerb vorgespielt werden würde. Es war eine Transkription der ungarischen Rhapsodie Nr. 2 von Franz Liszt für das Klavier. Liszt hatte dieses weltberühmte Stück für ein ganzes Orchester komponiert. Vladimir Horowitz, auch so ein Teufel von einem Pianisten, hatte das Stück für das Klavier umgeschrieben. Es war Horowitz Intention gewesen damit seine technische Perfektion zu zeigen. Das Stück enthielt Passagen, die außer Horowitz niemand hatte spielen können.
    Jetzt wurde es ganz deutlich: Federico hatte bis jetzt noch nicht einmal die Hälfte dessen gezeigt, zu dem er eigentlich fähig war. Er trug die Rhapsodie mit so einer Beschwingtheit und mutigem Stolz vor, so einfühlsam und dann wieder halsbrecherisch schnell mit Läufen und Trillern, die atemberaubend waren. Federico vermochte wirklich den Klang eines ganzen Orchesters allein mit dem Klavier einzufangen.
    Alexis beobachtete wie Angs Gesichtsfarbe von zornigem Rot zu leichenblassen Weiß wechselte vor allem als Federico den Blick hob und ihm zu grinste, während dem Spielen als ob es nur eine kleine Fingerübung wäre. Ja, Alexis wäre auch schockiert, wenn er gegen Federico antreten müsste.
    Noch bevor der letzte Akkord im Raum verhallte, war Federico schon schwungvoll hinter dem Flügel hervorgekommen. Er nickte den applaudierenden Hotelgästen zu, ging zu Alexis, küsste ihn und zog ihn lachend in die Höhe.

31

    In Genf rannte Claude förmlich durch die Gänge des Wohnheims und stürmte die Treppe hinab. Ausgerechnet heute musste er sich bei der Registerprobe verzetteln und jetzt war es fast schon zu spät. Er war ganz schön außer Atem als er endlich den Hörsaal erreichte. Einmal mehr schwor er sich wieder mehr Sport zu treiben.
    »Hat er schon begonnen?«, fragte er Klara, die ihm einen Platz in der zweiten Reihe freigehalten hatte und auf ihren Fingernägeln kaute. Auch sie war sichtlich nervös.
    »Noch nicht.«
    Claude stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, um nichts in der Welt hätte er auch nur eine Minute von Federicos Vortrag verpassen wollen. Am ersten Tag des Wettbewerbs waren es nur Claude, Klara und ein paar weitere Studenten gewesen, die zusammen vor einem Laptop gesessen und das Konzert in Warschau per Livestream mitverfolgt hatten. Heute, am letzten, alles entscheidenden Tag, war der gesamte Hörsaal besetzt und sie hatten einen Beamer und eine Leinwand bemüht, um alles ganz genau zu verfolgen. Alle hier im Saal kannten Federico von seiner Zeit am Konservatorium, wussten von seinen Problemen und einige konnten sich auch noch allzu gut an diesen letzten Auftritt kurz vor Weihnachten erinnerten. Selbstverständlich drückten sie ihm jetzt alle Daumen, die sie hatten. Es grenzte schon an ein Wunder, dass Federico heute in Warschau in der Finalrunde vor dem Flügel sitzen konnte. Dass er so weit gekommen war, das hatten selbst seine alten Professoren hier in Genf nicht erwartet.
    Die Kamera schwenkte durch das Publikum; in der ersten Reihe konnte Claude Alexis ausmachen. Auch wenn man ihn nur kurz

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