Holz und Elfenbein
über Federicos Vergangenheit und sein Verhältnis zu Alexis herausgefunden hatten, da konnten sich die beiden vor Interviewanfragen schier nicht mehr retten. Federicos Geschichte mit seinem bitteren Studienabbruch, die Operationen und sein Weg zurück zur Weltspitze, garniert mit der Tatsache, dass ihm Alexis, sein Lover, wie ein Schatten folgte, das war ein gefundenes Fressen für die Medien. Wenn man es positiv sah – und ihr Management sah das so – bedeutete es eine enorme Steigerung ihres Marktwertes. Doch natürlich erschwerte dieses Interesse Federico das Üben und seine Konzentration sollte durch nichts abgelenkt werden, so dass es meistens an Alexis war die Reporter zufrieden zu stellen.
Wenigstens in ihrem Hotel waren sie ungestört. Aber auch etliche der anderen Gäste beobachteten sie aufmerksam, wenn sie beim Essen oder am Abend in der Lounge saßen.
Gerade hatte Federico erneut einer älteren Dame ein Autogramm auf die Stoffserviette des Hotels gegeben als er sich mit einem Seufzen in den bequemen Sessel zurücksinken ließ. Vor ihm stand ein Glas Rotwein und eigentlich waren sie hierher gekommen, um sich etwas zu entspannen. Die Zeit in Warschau war wie im Flug vergangen und Alexis hatte den größten Respekt vor Federicos gleich bleibend hoher Leistung. Auch das zweite Vorspiel war überragend gewesen. Alexis hatte noch nie eine solche Darbietung von Chopins Walzer vernommen – und er war nicht der Einzige, der so dachte. Die dritte Runde hatte bereits gestern begonnen und Federico würde morgen vorspielen müssen. Es ging um den Einzug ins Finale, die Runde der letzten Zehn.
»Bist du eigentlich noch nervös?«
»Nein, nicht direkt. Bis jetzt lief wirklich alles gut.«
› Wirklich gut‹, war dabei die Untertreibung des Jahres wie Alexis meinte.
»Aber es ist anders als... vorher.« Federico blickte auf seine Hände und es war nicht schwer zu erraten, was er mit ›vorher‹ meinte.
»Du bist auch anders geworden Fedri«, raunte Alexis, so dass es in der allgemeinen Geräuschkulisse fast nicht hörbar war. Er wollte hier jetzt nicht in die hoffnungslos romantische Schiene abgleiten, aber so war es nun einmal.
Doch Federico hatte es trotzdem vernommen und er lachte unsicher auf. »Du übertreibst.«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich kann mich noch gut an den Studenten erinnern, der die Gänge im Konservatorium entlang geeilt ist, immer nur auf den Boden geschaut hat, damit niemand ihn ansprach. Heute gehst du auf die Menschen zu.«
»Nur weil ich mit den beiden alten Damen gerade eben im Hotelflur gesprochen habe?«
»Unter anderem. Außerdem lächelst du viel mehr, wenn du jetzt vor dem Klavier sitzt, dann wirkt das so entspannt und leicht, du siehst glücklich aus. Vorher, da warst du so verkrampft. Und«, hier errötete Alexis sogar etwas, was bei weitem nicht oft passierte, »du siehst viel attraktiver aus.«
»Oh, danke«, lachte Federico.
»Was willst du tun? Nach dem Wettbewerb, meine ich.«
»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es hängt davon ab, wie das hier ausgeht. Ich könnte mein Studium beenden. Eigentlich habe ich ja noch keinen Abschluss.«
Eine Tatsache, die man allzu leicht vergaß, wenn man Federico heute so spielen hörte.
»Aber nur unter der Bedingung, dass ich es jetzt nicht vergeige.« Federico presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf.
Auch Alexis betrachtete die Finger des Pianisten. Er selbst hatte keinerlei Bedenken, was Federicos Chancen auf dem morgigen Vorspiel anging. Aber, dass es für Federico eine große Überwindung war, das konnte er verstehen. Klar, bis jetzt war es sehr gut verlaufen, aber die Frage war, ob Federico auch den weiteren Strapazen des Wettbewerbs standhalten würde. Sein Vortrag morgen würde knapp eine Stunde dauern! Und sollte Federico ins Finale einziehen, würde er eines der Klavierkonzerte Chopins meistern müssen. Die ultimative Herausforderung nach fast drei Wochen nervlicher Anspannung und dem Konkurrenzdruck, dann noch ein solches Werk mit einem ganzen Orchester aufführen zu müssen. Dieser Wettbewerb verlangte seinen Teilnehmern wirklich alles ab.
Beide sahen sie überrascht auf als der Pianist, der den alten Flügel der Hotellounge zur Unterhaltung der Gäste bespielte, auf einmal eines der Stücke von Chopin zum Besten gab, das auf der Liste des morgigen Repertoires stand.
Nur, dass es nicht der Hotelpianist war, der jetzt spielte, sondern einer von Federicos größten Konkurrenten: Ang
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