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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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sehen konnte, Claude erkannte deutlich wie angespannt Alexis war. Nun, er selbst verspürte eine nicht gerade geringe Nervosität. Wie viel schlimmer mochte es sein dort in diesem Saal zu sitzen?
    Das Orchester hatte mittlerweile Platz genommen, der Dirigent war ebenfalls anwesend. Alle warteten nun auf Federico und als dieser die Bühne betrat, um zu seinem Instrument zu gehen, brandete tosender Beifall auf. Federico hatte sich wohl einige Sympathien beim polnischen Publikum erworben. Wer könnte es ihm auch verdenken, nach seiner Leidensgeschichte.
    Claude fand es unglaublich, dass Federico noch so einen konzentrierten, ruhigen Eindruck machte. Nachdem er diese ganzen Vorträge hatten meistern müssen. Für seinen Freund war es ein wahres Wechselbad der Gefühle gewesen: Zuerst die Schmähreden der Reporter zu Beginn des Wettbewerbs, dann die immer größere Begeisterung und der Respekt, der ihm gezollt wurde. Was für ein Druck musste auf Federico jetzt in diesen Minuten lasten. Claude würde allein deshalb durchdrehen, wenn er an die Preisgelder dachte, die hier auf dem Spiel standen. Der erste Platz war immerhin mit 30.000 Euro dotiert! Ganz zu schweigen von diversen Sonderpreisen.

    Die Kamera zeigte eine Großaufnahme von Federico, der am Flügel saß und noch einmal die Schultern lockerte, bevor er ins Publikum lächelte – Claude würde darum wetten, dass dieses Lächeln niemand anderem als Alexis galt – und dann dem Dirigenten mit einem Nicken signalisierte, dass sie beginnen konnten.
    Federico spielte das Klavierkonzert in e-Moll. Das hieß er musste erst einmal über eine Minute warten, bis sein erster Einsatz kam. Aber dann... gleich eine eindrucksvolle Solopassage. Danach ein wundervoll lyrischer, schmerzvoller Abschnitt, der unwillkürlich an Abschieds- und Trennungsschmerz erinnerte. Nur um sich abschließend in einen kraftvollen Lauf voller Hoffnung zu ergießen.
    »Heilige Scheiße!«, entfuhr es Claude in der Mitte des ersten Satzes, so etwas hatte er noch nie gehört! Nicht nur, dass Federico überragend spielte. Er, nicht der Dirigent, übernahm die Führung das Orchesters. Er trieb sie vor sich her und lieferte sich wahrlich einen Wettstreit mit den übrigen Musikern.
    Klara neben ihm nickte ehrfürchtig. Wieder zeigte die Kamera eine Nahaufnahme des Flügels, Federicos Gesichtsausdruck war voller Konzentration und doch zeigte sich die Spur eines Lächelns. Er meisterte so eine Passage lächelnd! Als ob sie für ihn überhaupt nicht schwierig wäre.
    Noch bevor der letzte Akkord des dritten Satzes im Saal verklungen war, erhoben sich die Männer und Frauen im Publikum von ihren Stühlen und applaudierten sich die Hände wund. Etliche ›Bravo‹-Rufe waren zu vernehmen. Und Alexis, den die Kamera jetzt zeigte, sah so aus als ob er am liebsten auf die Bühne gestürmt und Federico an sich gerissen hätte.
    Selbst in Genf jubelten und applaudierten die Studenten. Für Claude stand der Sieger fest.

    Federico hätte es nie zugegeben, doch seit er ein Kind war und begonnen hatte Klavier zu spielen, seit man ihm unentwegt versichert hatte, dass ihm eine große Karriere bevorstand, hatte er von diesem Abend geträumt. Die vielen Menschen, die sich um ihn drängten: Reporter, Kamerateams, die übrigen Teilnehmer. Einige davon waren bereits gegangen, weil sie nicht mehr mit einem Sieg rechneten. Er hatte am allerletzten Tag des Wettbewerbs das Klavierkonzert vortragen müssen. Um 19 Uhr hatte sein Auftritt begonnen und nun war es bereits kurz nach 23 Uhr. Die Zeit bis hierhin war quälend langsam verstrichen.
    Jemand berührte flüchtig seine rechte Hand und Federico sah auf. Dies hatte sein Traum nicht vorgesehen, dass an seiner Seite der Mann stehen würde, den er über alles liebte und ohne den er dies alles nie geschafft hätte.
    »Alexis«, flüsterte er lautlos. Der ergriff nun seine Hand und küsste ihn auf den Handrücken. Etliche Kameras klickten, doch weder Federico noch Alexis störte das Blitzlichtgewitter.
    Alexis wandte sich wieder dem japanischen Teilnehmer zu, der neben ihnen stand.
    › Angeber‹, dachte sich Federico während er der so fremdartigen Sprache lauschte in der Alexis parlierte.
    Wie lange mochte es noch dauern, bis die Jury endlich die Preisträger bekannt gab? Plötzlich sehnte sich Federico nach ihrem Bett im Hotelzimmer, auch wenn er gar nicht müde war. Zu aufgekratzt war er, doch er sehnte sich nach etwas Ruhe.
    Stets versicherte ihm Alexis, dass es bereits Sieg

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