Holz und Elfenbein
nicht zu sagen, aber er zog Alexis für einen kurzen Kuss an sich. Als er danach einen Blick auf die Uhr warf, wurden seine Knie unversehens weich und wenig elegant ließ er sich wieder zurück auf die Heizung sinken.
Alexis zog sich einen Stuhl heran. »Wie geht es deiner Hand?«
Er streckte Alexis die rechte Hand hin mit der Handfläche nach oben, so dass die krankhafte Verkrümmung des Mittel- und Ringfingers nur umso deutlicher sichtbar war. Alexis bemühte sich sichtlich seinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu halten und doch blickte er für einen Moment außerordentlich schockiert drein. Natürlich, wie hätte er auch wissen sollen, dass es so um Federico stand.
»Du bist jetzt in Behandlung?«, fragte er.
»Zum einen das und dann trage ich Bandagen. Aber dadurch sind die Bewegungen nur noch schwerfälliger geworden. Ich habe seit zwei Wochen kein Klavier mehr angerührt. Aber die Schmerzen sind dafür fast weg.«
Federico wollte die Finger zur Faust ballen, aber da passierte es wieder: Er vermochte den Ringfinger nicht wieder gänzlich gerade strecken. Vielmehr blieb der Finger gekrümmt bis Federico ihn mit der anderen Hand gerade bog. Dann endlich schnellte der Finger nach vorn wie eine Bogensehne.
»So schlimm?« Alexis war blass geworden bei diesem Anblick, zugegeben es sah auch recht drastisch aus.
»Die Sehne ist verdickt und kann nicht mehr reibungsfrei durch das Ringband gleiten. So hat man mir das erklärt. Das ist nicht untypisch für solche chronischen Entzündungen.« Hoffentlich passierte ihm ausgerechnet während des Auftritts nicht so ein Malheur.
»Kriegst du das Konzert überhaupt hin?« Alexis schien an das Gleiche zu denken, dann strichen seine Finger über Federicos Hand und – als dieser nicht dagegen protestierte – begann er jedes einzelne Fingerglied sanft zu massieren.
»Es sind ja nur zwei Stücke.« Doch sonderlich zuversichtlich wirkte auch Federico nicht. Er bedeutete Alexis seine Massage fortzuführen. »Ich kann ja schlecht wieder absagen«, murmelte er mit geschlossenen Augen. »Oder mir noch einmal in den Finger schneiden.«
»Mhm, nein wohl besser nicht. Aber es ist ja auch nur ein kleines Vorspiel«, versuchte Alexis zu beruhigen.
»Ja, es sitzen nur sämtliche Geldgeber des Stipendiums im Publikum. Kein Grund zur Sorge«, nahm es Federico mit Galgenhumor. »Was ist mit dir?«, erkundigte er sich.
Alexis mühte sich noch immer mit Federicos Fingern ab und dieser konnte den positiven Effekt der Massage nicht verleugnen. Er hatte noch schätzungsweise zehn Minuten Zeit bevor man ihn bitten würde sich vor dem Konzertsaal für seinen Auftritt bereitzuhalten. »Du wolltest doch nach Singapur fliegen.«
»Das werde ich auch. Morgen früh um sieben geht der Flieger.«
»Oh.« Die Enttäuschung war Federico deutlich anzumerken.
»Du kannst immer noch mitkommen. Das Angebot steht. Sicher gibt es noch freie Plätze auf dem Flug. Da gab es in der First Class noch nie Probleme.«
»Jetzt so kurz vor Weihnachten?«, wandte Federico skeptisch ein. Außerdem fühlte er sich nicht wohl bei dem Gedanken mit Fremden – und das war Alexis‘ Familie nun de facto für ihn – gleich so einen wichtigen Feiertag zu verbringen. Das Flugticket konnte er sich gar nicht leisten, in der First Class sowieso nicht. Doch konnte er natürlich auch Alexis nicht bitten seinetwegen hier in Genf zu bleiben. Das würde er nicht von ihm verlangen. Alexis hatte seine Eltern schließlich auch seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen.
»Ich wüsste gar nicht, wo ich so schnell das Geld für den Flug herbekommen sollte«, warf er ein.
Alexis winkte nur unbekümmert ab. Natürlich, über so etwas Triviales wie Geld machte sich ein Arrowfield erst gar keine Gedanken. Geld war wie die Luft zum Atmen, es war einfach immer da. Federico hatte es noch nicht gänzlich abgelegt, die Familie insgeheim als Snobs zu bezeichnen. Doch bevor sie weitersprechen konnten, klopfte es an der Tür. Man bat Federico mitzukommen, sein Auftritt stand kurz bevor.
»Ich warte hier auf dich«, verabschiedete sich Alexis von ihm als sie vor den großen Flügeltüren des Konzertsaals warteten und Federico seine Handschuhe abgestreift hatte. Er konnte nichts mehr erwidern, die Türen öffneten sich. Federico beachtete den Applaus nicht, der aufbrandete als er zwischen den Stuhlreihen auf den Flügel zuschritt, der erhöht auf einer kleinen Bühne stand.
› Nur zwei Stücke! Nur zwei!‹
Seine Hände ballten sich zu
Weitere Kostenlose Bücher