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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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schrecklichen Gänze verarbeitet. Er schüttelte den Kopf und starrte in Federicos Gesicht, der mit einer so unendlichen Enttäuschung und Traurigkeit zu ihm aufblickte, dass Alexis klar wurde, er hatte sich nicht verhört.
    Unbeholfen tätschelte er Federicos linke Hand und beobachtete weiter wie das Schmerzmittel durch den Schlauch des Infusionsbeutels tropfte. Er hoffte, dass die Medikamente Federico etwas Linderung verschafften. Zum jetzigen Zeitpunkt sah Federico noch immer leichenblass und so unglaublich zerbrechlich aus. Glücklicherweise war der Dekan nicht mehr bei ihnen im Zimmer. Er hatte Alexis vorgeworfen unvernünftig gehandelt zu haben. Zusammen mit seiner Spende und der damaligen Unterredung musste Haylen nun vermuten, dass Alexis schon zu dieser Zeit von Federicos Beschwerden gewusst haben musste. Was ja auch nicht falsch war.
    »Da hätten Sie zu mir kommen müssen, Batist!«, hatte Haylen anklagend den Finger auf Federico gerichtet, der nur die Augen geschlossen gehalten und sich ein weiteres Stöhnen verkniffen hatte.
    Alexis hatte der Dekan nur vorgeworfen: »Arrowfield, ich dachte Sie seien wenigstens vernünftiger.«
    Was Haylen wohl jetzt sagen würde, bei der Aussicht, dass Federico vielleicht nie mehr Klavier spielen konnte? Sollte er es ihm jetzt gleich sagen? Ans Licht musste die Wahrheit kommen, noch mehr Lügen und Täuschungen konnte sich Federico nicht leisten. Nein, immer peu à peu wie Alexis‘ Großmutter zu sagen pflegte, und jetzt musste er sich erst einmal um Federico kümmern. Wahrscheinlich war es sowieso besser, wenn sich Haylen etwas beruhigen konnte. Nach den Feiertagen würde sich noch mit Sicherheit eine gute Gelegenheit ergeben, um mit ihm zu sprechen.

    Es war draußen schon dunkel geworden als Federico endlich, endlich ruhiger wurde. Der Arzt schien zufrieden zu sein, Federicos Schmerzen waren abgeklungen und er war im Großen und Ganzen ansprechbar. Es war nicht so, dass Federico je das Bewusstsein verloren hätte, doch so ganz wieder bei sich war er auch nicht. Alexis vermutete, dass es an den Schmerz- und Beruhigungsmitteln lag, die Federico so teilnahmslos machten. Und vielleicht war das in der jetzigen Situation auch ganz gut so. Für Federico war in diesen Stunden sprichwörtlich eine Welt zusammengebrochen. Keiner wusste, ob er je wieder Klavier spielen konnte. Auf keinen Fall wollte Alexis seinen Freund jetzt alleine lassen. Auch der Arzt hatte sich erkundigt, ob jemand noch ein paar Stunden auf Federico aufpassen konnte. Federico hatte diese Bemerkung sehr wohl vernommen und protestiert, dass er doch nicht zum Pflegefall geworden wäre. Doch wehrte er sich auch nicht als Alexis ihn ohne große Worte zu verlieren zu seinem Auto brachte und zu seiner Wohnung fuhr. Auch dort blieb Federico schweigsam. Alexis hatte erwartet, dass der andere nun regelrecht zusammenbrach, anfing zu weinen, Teller zusammentrümmerte, irgendetwas in der Richtung.
    Doch Federico kommentierte einzig den Koffer, der gleich neben der Wohnungstür stand: »Ach ja, du fliegst morgen.«
    Alexis half ihm aus seinem Wintermantel, was erschwert wurde durch die Tatsache, dass Federicos Hand wieder in dicken, unnachgiebigen Bandagen lag. Eine provisorische Lösung bis eine Schiene angefertigt worden war, die dem Gelenk endlich die lange benötigte Ruhepause verschaffen sollte.
    »Komm doch mit.«
    »Nein. Ich will nicht.«
    »Aber Federico, es ist besser wenn du nicht alleine bleiben musst.«
    »Ich bin doch nicht Selbstmord gefährdet oder so. Außerdem brauche ich vielleicht wieder einen Arzt in den nächsten Tagen. Ich möchte auch nicht, dass deine Eltern mich so kennenlernen«, schloss er leise und Alexis musste eingestehen, dass er Federicos Gefühle und Stolz nicht auf der Rechnung stehen hatte. »Was sollen sie von mir denken?«
    »Dann bleibe ich eben hier.«
    Mit Bestimmtheit widersprach Federico: »Nein, das tust du nicht. Das sehe ich nicht ein und kann ich nicht von dir verlangen... Geh nach Singapur, ich komm hier schon klar.«
    › Aber du würdest es gerne verlangen‹, dachte Alexis, beließ es jedoch bei unverbindlichem Schweigen. Er beobachtete wie Federico sich auf der Couch vor dem Fernseher niederließ. Fest rechnete er jeden Augenblick damit, dass Federico anfing in Tränen auszubrechen. Oder zumindest etwas sagen würde, das Aufschluss über sein Befinden gab. Was für Gedanken gingen dem Pianisten durch den Kopf? War er sich überhaupt darüber bewusst, dass seine

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