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Holzhammer 02 - Teufelshorn

Holzhammer 02 - Teufelshorn

Titel: Holzhammer 02 - Teufelshorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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100 Höhenmeter ganz gut vorwärts. Aber es war anstrengend.
    Von oben pfiff eine Gämse. Das hieß: «Mach dich vom Acker, hier ist mein Revier.» Netter Versuch, aber Christine kletterte weiter. Dann war die kleine Rinne zu Ende und ein Weg nicht in Sicht. Der richtige Einstieg war das jedenfalls nicht gewesen. An dieser Stelle war der Hang feuchter, weil er von der südlich gelegenen Felswand beschattet wurde. Dicke Grasbüschel bildeten eine Art Treppe, die anfangs ganz gut begehbar war. Doch dann wurde es noch steiler. Es gab immer noch Grasbüschel, aber teilweise schwebten sie halb in der Luft, man musste Angst haben, dass sie beim Drauftreten einfach abbrachen. «Absturzgelände» sagte man zu Wegen, auf denen jedes Stolpern tödlich enden konnte.
    Christine kletterte auf einen kleinen Felsrücken, mehr eine Schneid. Die war nicht ganz so steil wie die Flanke, aber dafür ging es jetzt auf beiden Seiten abwärts. Dann versperrte ein Latschenbusch ihr den Weg. Christine blickte hinter sich. Nein, zurück ging es nicht. Hinabklettern war schwieriger als hinauf, und sie war bereits an der Grenze ihres Könnens. Im Grunde sogar schon drüber, denn wie sie sich hinaufzog und mit allen vieren festkrallte, das war keine Geh- und auch keine Klettertechnik mehr. Das war mehr ein Irgendwie-versuchen-nicht-runter-zu-fallen.
    Vorsichtig schaute sie links und rechts, ob es an dem Busch irgendwo vorbeiging. Aber da war nur Luft. Sie musste mitten durch den Busch. Mit einigen Rucken prüfte sie, ob die Zweige wohl halten würden, wenn sie sich daran hochzog. Ja, das taten sie wohl. Womöglich besser als die brüchigen Schrofen hinter ihr. Also stieg sie unter den Latschenbusch, der fast senkrecht über ihr wuchs. Mit den Händen ergriff sie zwei vertrauenerweckend aussehende Äste und zog sich hoch, während ihre Füße auf dem sandigen Wandstück darunter Halt suchten. Als sie ein Stück hochgekommen war, griff sie mit einer Hand einen weiter oben liegenden Ast und brachte ihr linkes Bein hoch, bis es über den untersten Ästen lag. Hand über Hand ziehend und mit den Beinen weit seitlich ausholend, irgendwie Äste hinter sich bringend, kam sie Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Sie war sich bewusst, dass sie der Latsche jetzt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Aber die wettererprobte Pflanze hielt. Ihre Wurzeln reichten tief in die Schrofen, saugten Nährstoffe aus metertiefen Ritzen. Mit diesen Wurzeln hielt der Busch sich am Berg fest, wenn im Winter der Schnee zu Tal glitt. Seit vielen Jahren behauptete er diese Position, es war die einzige, die er jemals haben würde. Danke, Latsche , dachte Christine. Vielleicht sagte sie es auch laut. Spitze Nadeln streiften durch ihr Gesicht, welke Nadeln gerieten unter ihr Shirt. Am Schienbein hatte sie inzwischen eine blutende Schürfwunde, die sie aber kaum bemerkte. Dauernd blieb der Rucksack an den Latschenästen hängen, noch mehr störten die Stöcke, sodass sie sie schließlich zurückließ.
    Schließlich hatte sie den Busch hinter sich. Ihr Herz schlug wie wild, sie keuchte vor Anstrengung. Die letzte Passage war so steil gewesen, dass sie von oben darüber hinwegblickend nur Luft sah. Zum Glück gab es hier einen kleinen Absatz, auf dem sie ein wenig verschnaufen konnte. Christine versuchte, sich die Nadeln aus dem Shirt zu schütteln. Dann zog sie es aus und rieb sich damit den Rücken trocken. Anscheinend hatte sie auch Nadeln in der Hose, aber da war momentan nichts zu machen.
    Sie sah auf die Uhr und erschrak. Schon Nachmittag. Sie musste ihr Ziel ändern. Jetzt hieß es nicht mehr, den Durchstieg zu finden, sondern so schnell wie möglich wieder ins Tal zu kommen. Aber an dieser Stelle kam sie definitiv nicht wieder runter. Egal, ob aufwärts oder abwärts, sie musste aus diesem scheiß Steilhang raus. Sie blickte sich um. Ein Stück weiter sah es aus, als könne man möglicherweise nach links queren. Vielleicht fand sie dort einen leichteren Weg nach unten.

    «Wehe, des war ka Mord», sagte Josef Berg zu Holzhammer. Und meinte es ernst. Normalerweise war er nicht so grantig und immer gern zur Stelle. Er liebte seinen Beruf. Aber die Endorphine, die bei so einer Klettertour freigesetzt wurden, wussten momentan einfach nicht, wohin.
    «Als ich eam funden hab, dacht i im ersten Moment an oanen Unfall. Mir ham so an Hergang ja schon öfter g’habt. Aber dann die angezogene Brems’n. Und seine vielen Feinde – was der sich in letzter Zeit ois geleistet hat.

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