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Home Run (German Edition)

Home Run (German Edition)

Titel: Home Run (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wie betäubt und konnte nicht mehr klar denken. Ich hatte einen Albtraum erlebt – der Beanball, der Joe Castle getroffen hatte, gefolgt von dem emotionalen Schock, mit ansehen zu müssen, wie mein Vater von einer ganzen Baseballmannschaft verprügelt wurde. Auch meine Mutter hatte genug. »Ich möchte jetzt gehen«, flüsterte sie. »Ich auch«, sagte ich.
    Wir fuhren mit dem Zug nach Hause und wechselten während der gesamten Fahrt kein Wort. Daheim ging ich auf mein Zimmer und kroch ins Bett. Den Fernseher schaltete ich nicht ein, obwohl ich unbedingt wissen wollte, wie es Joe ging. Ich war fest entschlossen, nicht einzuschlafen, weil ich wissen musste, ob mein Vater in dieser Nacht nach Hause kam. Ich glaubte nicht, dass er kommen würde, und ich hatte recht. Kurz vor Mitternacht klingelte das Telefon, und meine Mutter nahm ab. Eine männliche Stimme drohte, Warren Tracey umzubringen und unser Haus niederzubrennen. Meine Mutter rief die Polizei, und um zwei Uhr morgens saß ich an unserem Küchentisch und unterhielt mich mit ihr und einem Polizeibeamten.
    Es war der erste von vielen Drohanrufen. In den nächsten Monaten lebten wir in ständiger Angst, und natürlich war mein Vater nur selten zu Hause, um uns zu beschützen.
    Ich war elf Jahre alt und wollte meinen Namen ändern.

13
    Die Moskitos finden uns, und wir flüchten von der Veranda. Fay serviert Erdbeeren mit Schlagsahne und einen merkwürdigen Kräutertee in der vollgestopften Bibliothek. An den Wänden stehen deckenhohe Regale mit Büchern, und rund um einen alten Schreibtisch ragen hohe Bücherstapel auf. Eigentlich stehen im ganzen Haus Bücher, und die meisten davon sind mit Staub überzogen und auf durchhängende Regalbretter gepackt, fast wie in einem Antiquariat. Die Rooks sind sehr belesen und unterhaltsame Gesprächspartner. Ich habe genug geredet und möchte eine Weile nur zuhören.
    »Wir haben uns das Spiel damals auf der Veranda angehört, nicht wahr, Fay?«, fragt Clarence.
    »Ja, wir saßen auf der vorderen Veranda. Ich werde es nie vergessen.« Im Verlauf des Abends wird mir klar, dass Fay fast genauso viel über das Spiel weiß wie Clarence. »Es war schlimm.«
    »Vince Lloyd und Lou Boudreau schienen gleich zu wissen, dass Joe nicht mehr aufstehen würde. Lou sprach sofort von einem Beanball als Vergeltung dafür, dass Joe gleich bei seinem ersten At Bat einen Home Run erzielt hatte. Während wir warteten, gaben die beiden einige Informationen über den Pitcher weiter. Warren Tracey hatte 1972 am meisten Batter in der National League getroffen und war 1973 im Gleichstand mit dem Führenden. Lou nannte ihn unter anderem einen ›Kopfjäger‹. Beide waren der Meinung, dass Joe sich nicht bewegt hatte, als der Pitch auf ihn zukam. Es war ihnen anzuhören, dass die Situation sehr ernst war.«
    »Hat Joe jemals darüber gesprochen?«, frage ich. »Nicht offiziell, aber vielleicht mit Freunden oder seinen Brüdern?«
    »Nicht dass ich wüsste«, erwidert Clarence. »Einige Jahre später tauchte ein Reporter aus Little Rock auf … Fay, war er vom Democrat oder der Gazette? «
    »Ich glaube, von der Gazette . Aber das steht in einem der Notizbücher.«
    »Jedenfalls tauchte dieser Reporter hier auf und schaffte es sogar, mit Charlie und Red zu reden. Er fragte sie darüber aus, wie es Joe ging, und so weiter und so weiter. Und nach dem Beanball erkundigte er sich auch. Sie sagten, dass Joe sich nicht erinnern könne. Das ist meines Wissens das einzige Mal, dass die Familie darüber gesprochen hat. Muss vor etwa zwanzig Jahren gewesen sein.«
    »Ist Joe hirngeschädigt?«, frage ich.
    Clarence und Fay werfen sich einen schnellen Blick zu, und mir wird klar, dass es Themen gibt, über die in meiner Gegenwart nicht gesprochen wird. »Ich glaube nicht«, erwidert er schließlich, »aber hundert Prozent in Ordnung ist er auch nicht.«
    »Clarence ist einer der wenigen hier, mit denen Joe redet«, fügt Fay hinzu. »Nicht so wie bei einem normalen Gespräch, aber er hat Clarence schon immer gern gehabt und nimmt ihn zumindest wahr.«
    »Ich weiß nicht, ob außer seiner Mutter wirklich jemand weiß, was in seinem Kopf vor sich geht«, meint Clarence.
    »Er lebt bei ihr?«
    »Ja. Drei Häuserblocks von hier entfernt.«
    Es ist fast zweiundzwanzig Uhr, und Fay ist müde. Sie räumt den Tisch ab, zeigt mir, wo ich schlafen kann, und wünscht eine gute Nacht. »Ich brauche einen kleinen Digestif. Sie auch?«, sagt Clarence, sobald sie verschwunden

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