Homeland: Carries Jagd: Thriller (German Edition)
er.
»Dad, bitte! Ich habe gesagt, dass ich am Mittwoch komme, und dabei bleibt es.«
»Du warst immer ein gutes Mädchen, Carrie. Deine Schwester auch. Nicht so klug und so hübsch wie du, doch genauso lieb. Wir hätten früher mehr für euch da sein müssen. Es tut mir leid.«
»Dad! Rede nicht so. Wir sehen uns am Mittwoch.«
»Ja, gut. Bis dann, Carrie.« Er legte auf, und sie starrte auf das Telefon in ihrer Hand.
Sie überlegte, ob sie Maggie anrufen sollte, um sie zu überreden, ließ es aber sein. Maggie wollte den Tag mit Todd verbringen, das war in Ordnung. Nur hatte ihr Vater irgendwie seltsam geklungen. Als sei er ziemlich am Boden. Am Dienstag vormittag hatte sie noch eine Prüfung, danach nichts mehr. Sie beschloss ihn zu überraschen und schon am Dienstag nach Hause zu fahren, gleich nach der Prüfung.
Sie nahm den Greyhound-Bus von Mount Laurel nach Silver Spring und weiter nach Kensington, wo sie am Nachmittag ankam. Es war sonnig, klar und kühl, die Blätter leuchteten braun, rot und golden verfärbt. Noch ein Stück mit dem Linienbus, dann stieg sie aus bei dem kleinen Haus, in dem sie aufgewachsen war. Im hellen Licht sah es schäbiger aus, als sie es in Erinnerung hatte. Er lässt es verfallen, dachte sie, als sie die Tür aufschloss.
Eine Minute später rief sie den Notruf an.
»Happy Thanksgiving, Dad«, murmelte sie leise, während sie mit ihm im Rettungswagen ins Krankenhaus fuhr.
Inzwischen lebte Frank bei Maggie, ihrem netten Ehemann und ihren niedlichen Kindern, und sie, Carrie, war eine Versagerin und genauso verrückt wie ihr Vater. Und hatte nichts: keinen Mann, keine Kinder, war im Beruf gescheitert. Allein. Vollkommen allein. Sogar Saul hatte sie im Stich gelassen. Ge nauso gut hätte sie auf der dunklen Seite des Mondes leben kön nen. Das genaue Gegenteil von Dima, dem Partygirl. Sie war nie allein gewesen, hätte es gar nicht ertragen. Immer gab es einen Mann in ihrem Leben, wenngleich nie für lange. War der eine weg, kam schon der nächste.
Carrie stutzte. War das ein Anhaltspunkt dafür, warum Dima wie vom Erdboden verschwunden war?
KAPITEL 9
McLean, Virginia
Am nächsten Tag stand sie auf, um wieder zur Arbeit zu gehen. Irgendetwas musste mit Dima sein, dass sie das Alleinsein nicht ertrug. Carrie war fest entschlossen, noch einmal mit Saul zu sprechen. Nicht im Hauptquartier allerdings, sondern irgendwo, wo sie reden konnten.
Sie schminkte sich und betrachtete sich unzufrieden im Spiegel. Ich sehe aus wie ein Geist . Ja, genau das bin ich wahrscheinlich auch . Aber bevor sie in der Dunkelheit verschwand, würde sie Saul zwingen, ihr zuzuhören.
Sie fuhr zur Arbeit. Joanne wirkte besorgt. »Wo warst du denn?«, fragte sie. »Yerushenko will dich schon feuern. Du hast Glück, dass er heute den ganzen Tag Sitzung hat wegen der Sache in Abbasiya.«
Der Tag dauerte ewig. Er verstrich so langsam, dass es ihr manchmal vorkam, als würde die Uhr rückwärtslaufen. Ihr gingen immer die gleichen Gedanken durch den Kopf. Wer hatte die Unterlagen in der NSA -Datenbank gelöscht? Wer die Informationen über Beirut zensiert? Wer war Dar Adal, und welche Rolle spielte er bei alldem?
Und warum das alles? Das nämlich schien ihr die zentrale Frage zu sein. Was hatten sie zu verbergen? Was war schiefgelaufen? Warum unternahm niemand etwas wegen des Vorfalls in Beirut, und warum verfolgte keiner den Hinweis, den sie von Julia bekommen hatte? So viele Fragen und keine Antworten – und die Zeit kroch langsamer dahin als der Verkehr auf der Interstate 95.
Am Abend wartete sie auf dem Parkplatz, und als Saul gegen elf Uhr herauskam, folgte sie ihm bis zu seinem Haus in McLean. Das weiße Gebäude im Kolonialstil stand in einer dunklen, von Bäumen gesäumten Straße ohne Bürgersteig. Sie war einmal vor langer Zeit zum Essen hier gewesen. Jetzt wartete sie zwanzig Minuten, bevor sie ausstieg und an der Haustür klingelte.
Sauls Frau Mira öffnete die Tür in Nachthemd und Morgenmantel. Sie war Inderin aus Mumbai und hatte Saul in Afrika kennengelernt. Carrie war ihr erst einmal begegnet. »Hi, Mira. Erinnern Sie sich an mich? Ich muss Saul unbedingt sprechen.«
»Ich erinnere mich«, antwortete Mira. »Er ist gerade erst heimgekommen.«
»Tut mir leid«, sagte Carrie. »Es ist wichtig.«
»Es ist immer wichtig«, erwiderte Mira und trat beiseite, um sie einzulassen. »Eines Tages werdet auch ihr erkennen, dass es nicht diese Dinge sind, auf die es ankommt.« Sie deutete mit
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