Homicide
das Trio den Schlüssel eines Cavalier und fährt noch einmal zur Newington Avenue. Sie schauen vor und hinter dem Haus nach, aber der Lincoln ist nicht zu sehen. Landsmanklopft an die Vordertür der 718. Eine Frau mit hängenden Gesichtszügen öffnet ihm in einem verschossenen Nachthemd.
»N’abend, Ollie«, sagt Landsman, »ist Ihr Mann zu Hause? Wir hätten noch ein paar Fragen.«
»Er liegt schon im Bett.«
»Dauert nur ein paar Minuten.«
Die Frau zuckt mit den Schultern und führt die drei in ein Schlafzimmer hinten im Erdgeschoss. Der alte Mann, der die Leiche des Mädchens entdeckt hatte, liegt unter einer grauen Decke und schaut den Detectives neugierig entgegen.
»Er ist krank«, erklärt die Frau und zieht sich in eine Ecke des Zimmers zurück.
»Das tut mir leid. Was haben Sie denn?«
»Irgend so ’ne Erkältung«, murmelt der Mann. »Scheißkalt da draußen.«
»Kann man wohl sagen. Ähm, was ich Sie fragen wollte«, kommt Landsman zum Thema. »Sie erinnern sich doch noch an unser Gespräch an dem Tag, an dem sie das Mädchen gefunden haben? Dass ich Sie gefragt habe, ob jemand hinter dem Haus parkt und Sie mir von Ihrem Nachbarn Andrew erzählt haben?«
Der alte Mann nickt.
»Ich weiß noch, dass Sie zum Küchenfenster gegangen sind, so als ob Sie mir das Auto zeigen wollten, aber an dem Morgen stand es nicht da. Erinnern Sie sich?«
»Ja, ich dachte, es steht da draußen.«
»Was wir gerne wüssten ist, ob Andrew sein Auto in den Tagen davor, also am Dienstag oder Mittwoch, dort geparkt hat?«
»Ist schon eine Weile her«, antwortet der Alte.
»Ja, schon, aber vielleicht, wenn Sie nachdenken …«
Der Alte lässt den Kopf ins Kissen fallen und starrt zur rissigen Decke. Alle warten.
»Ja, ich glaube.«
»Hm, Sie glauben?«
»Er stellt es oft da ab«, meint der Alte.
»Ja, das haben Sie uns damals auch gesagt«, erwidert Landsman. »Was wissen Sie denn über diesen Andrew?«
»Eigentlich nichts.«
»Ich meine, was ist das für einer?«
Der Alte wirft seiner Frau einen ängstlichen Blick zu. »Ich habe wirklich keine Ahnung …«
Landsman schaut zu Ollie hinüber. Es zuckt etwas über ihr Gesicht. Sie möchte etwas sagen, was ihr Mann nicht hören soll.
»Nun, vielen Dank für die Hilfe.« Landsman macht einen Schritt in Richtung Tür. »Und werden Sie schnell wieder gesund!«
Der Alte nickt und sieht seiner Frau nach, die den Detectives aus dem Zimmer folgt. Sie schließt die Tür und geht mit Landsman ans andere Ende des Flurs.
»He!, Ollie«, sagt Landsman zu ihr, »wissen Sie noch, was Sie mir über Andrew gesagt haben?«
»Nein, eigentlich nicht …«
»Dass er sich durchfüttern lässt wie ein Gigolo …«
»Na ja«, sagt Ollie verlegen, »ich weiß, dass sie ihm das Auto gekauft hat, mit dem er allein herumfährt. Er ist jeden Abend in der Stadt unterwegs.«
»So? Und hat er vielleicht auch Interesse an Mädchen?«
»Ja, mit Mädchen hat er’s«, murmelt sie missbilligend.
»Ich meine kleine Mädchen, Kinder.«
»Also, das kann ich jetzt nicht sagen …«
»Gut, das ist alles«, sagt Landsman. »Wo steht denn das Auto jetzt? Wissen Sie das?«
»Er sagt, sie haben’s abgeholt, die Raten waren nicht bezahlt.«
Pellegrini und Edgerton schauen sich an. Das klingt fast zu perfekt.
»Abgeholt?«, fragt Landsman. »Das hat er Ihnen selbst gesagt?«
»Sie hat es meinem Mann erzählt.«
»Ihre Nachbarin? Andrews Frau?«
»Ja«, sagt sie und wickelt sich fröstelnd in ihren Bademantel. »Sie hat gesagt, jemand von Johnny’s Cars hätte es abgeholt.«
»Johnny’s? In der Harford Road?«
»Ja, die, glaub’ ich.«
Die Detectives danken der Frau und fahren auf direktem Weg zu Johnny’s im Nordosten von Baltimore. Sie klappern das gesamte Gelände ab und suchen nach dem Wagen, der nach Aussage von AndrewsFrau abgeholt worden ist. Kein Lincoln zu sehen. Jetzt glaubt Landsman wirklich an seine Theorie.
»Der Drecksack schafft sich erst die Leiche vom Hals und dann das Auto. Und wenn die Leute ihn fragen, sagt er, es wäre ihm abgenommen worden, weil die Raten nicht bezahlt waren. Los, den knöpfen wir uns vor, jetzt, sofort.«
Es ist elf Uhr abends, als sie wieder in der Newington Avenue sind und in der 716 klingeln. Andrew ist ein kleiner Mann mit lichtem Haar und einem kantigen Gesicht. Er ist noch wach, sitzt mit einem warmen Bier im Keller vor dem Fernseher und schaut die Lokalnachrichten. Die drei Detectives in Zivil, die die Treppe herunterkommen, bringen
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