Homicide
für mehrere Freunde gegeben habe. Hummer, Krabben, Maiskolben. Er sei die ganze Nacht dort gewesen, von sieben oder acht Uhr an, habe auch dort geschlafen und sei erst am Morgen gegangen. Auf dem Weg zur Arbeit habe er bei Lena vorbeigeschaut, aber er sei spät dran gewesen, und als Lena auf sein Klingeln nicht reagiert habe, sei er weitergefahren. Am Nachmittag habe er dann mehrmals bei ihr angerufen, aber sie habe nicht abgenommen, und am frühen Abend sei schon die Polizei dort gewesen.
Wer, fragt Garvey, kann bestätigen, wo Sie am Sonntagabend waren?
Nee-Cee – Denise, seine Neue. Sie ist die ganze Nacht mit ihm in der Amity Street gewesen. Und natürlich haben ihn dort auch die anderen Leute gesehen. Pam, Annete, ein paar andere.
An dieser Stelle legt Frazier noch einmal ein gutes Wort für den jungen Vincent Booker ein. Der tauchte, sagt er, auf dem Höhepunkt der Party in der Amity Street auf, klopfte kurz nach zehn an die Tür und wollte mit Frazier sprechen. Die beiden unterhielten sich ein paar Minuten auf der Treppe, für Frazier lange genug, um festzustellen, dass der Junge total durchgedreht war und wirr umherblickte. Frazier fragte ihn, was los sei, aber Vincent ging über die Frage hinweg und bat stattdessen um Koks. Darauf fragte ihn Frazier, ob er Geld habe; der Junge verneinte.
Dann erklärte ihm Frazier, dass er keine Drogen mehr bekäme, nicht, wenn er nicht lerne, mit seinem Geld umzugehen. An dieser Stelle, so Frazier, flippte der junge Vincent aus und stürmte in die Nacht davon.
Als die Vernehmung auf ihr Ende zusteuert, teilt Frazier noch eine letzte Beobachtung mit: »Ich weiß ja nicht, wie die Dinge zwischen ihm und seinem Vater standen, aber Vincent ist nicht gerade bestürzt darüber, dass sein Alter tot ist.«
Ob Vincent mit Lena geschlafen habe.
Frazier scheint überrascht. Nein, erwidert er, nicht dass er wüsste.
Wusste Vincent, wo Lena den Stoff aufbewahrte?
»Ja«, sagt Frazier, »wusste er.«
»Wären Sie bereit, einen Test mit dem Lügendetektor zu machen?«
»Von mir aus. Wenn Sie wollen.«
Garvey weiß nicht, was er davon halten soll. Wenn Vincent nicht mit Lena Lucas herumgemacht hat, hat er keine Erklärung dafür, dass sie nackt war, und für die Klamotten, die am Fußende des Bettes aufgetürmt waren. Auf der anderen Seite gibt es keine sichtbare Verbindung zwischen Frazier und dem alten Booker, obwohl feststeht, dass beide Morde von derselben Person begangen wurden, mit derselben Waffe.
Der Detective stellt noch ein paar weitere Fragen, aber man kann nicht viel tun, wenn jemand auf alles eine Antwort hat. Als vertrauensbildende Maßnahme bittet Garvey Frazier, seine 38er vorbeizubringen.
»Hierher?«
»Ja. Bringen Sie sie uns.«
»Damit ich dann eine Anklage angehängt kriege.«
»Wir melden das nicht. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Sorgen Sie nur dafür, dass der Revolver nicht geladen ist, und bringen Sie ihn her, damit wir ihn uns ansehen können.«
Widerstrebend erklärt Frazier sich dazu bereit.
Am Ende des Verhörs legt Garvey seine Notizen zusammen und geht hinter Frazier hinaus in den Flur. »Gut, Frazier, danke, dass Sie gekommen sind.«
Der Mann nickt, dann hält er fragend seinen Besucherpass hoch, den er vom Pförtner bekommen hat. »Was …?«
»Geben Sie ihn einfach dem Mann an der Schranke, wenn Sie aus dem Parkhaus fahren.«
Garvey begleitet seinen Zeugen zum Lift, bleibt aber am Wasserspender stehen. Als wäre ihm das gerade erst eingefallen, entlässt er Frazier mit einer Warnung, die zugleich eine Drohung ist.
»Eins sage ich Ihnen, Frazier, wenn auch nur irgendwas an ihrer Geschichte nicht stimmt, dann sollten Sie es jetzt sagen.« Dabei sieht er sein Gegenüber fest an. »Wenn das alles Mist war, kriegen wir es raus, und dann sind Sie dran.«
Frazier überlegt eine Weile, dann schüttelt er den Kopf. »Hab’ Ihnen gesagt, was ich weiß.«
»Na gut«, erwidert Garvey. »Man sieht sich.«
Frazier fängt kurz den Blick des Detective auf, dann wendet er sichzum Gehen. Seine ersten Schritte sind kurz, unsicher, doch dann beschleunigt er seinen Gang, der immer rhythmischer wird, bis er, eine einzige Bewegung von der Hüfte zu den Schultern, von den Schultern zur Hüfte, davonschwebt. Als er das Parkhaus des Präsidiums verlässt, ist er wieder ganz auf die Straße eingestellt.
Donnerstag, 3. März
D’Addario wendet Seite um Seite seines gut bestückten Klemmbretts, mit monotoner Stimme haspelt er einen weiteren Morgenappell
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