Homicide
zu stabilisieren, als ich hier eintraf.«
Die beiden Detectives machten Anstalten, zu ihrem Cavalier zurückzukehren, blieben aber stehen, als ein weiterer Uniformierter ihnen zuwinkte, zur Fundstelle des Messers zu kommen. Neben ihm stand ein etwa sechsjähriger Knabe.
»Dieser junge Mann hier hat alles gesehen«, sagte der Streifenbeamte so laut, dass das Kind es hören konnte, »und möchte es uns ganz genau erzählen.«
Worden ging in die Knie. »Du hast gesehen, was passiert ist?«
Der Junge nickte.
»L ASSEN S IE DAS K IND IN R UHE «, schrie da eine Frau von der anderen Straßenseite. »O HNE R ECHTSANWALT DÜRFEN S IE NICHT MIT IHM REDEN! «
»Sind Sie seine Mutter?«, fragte der Uniformierte.
»Nein, aber sie will nicht, dass er mit der Polizei spricht. Das weiß ich. Tavon, dass du mir ja nichts sagst!«
»Sie sind also nicht seine Mutter?«, fragte der Uniformierte streng.
»Nein.«
»Dann machen Sie, dass Sie verduften, ehe ich Sie an ihrem Hintern in den Knast zerre«, murmelte der Mann von der Streife, sodass es der Junge nicht mitbekam. »Haben Sie mich verstanden?«
Worden wandte sich wieder dem kleinen Zeugen zu. »Also, was hast du gesehen?«
»Wie Bobby nach draußen gelaufen ist, hinter Jean her.«
»Wirklich?«
Der Junge nickte. »Und wie er nahe bei ihr dran war, hat sie ihn gestochen.«
»Ist er in das Messer hineingelaufen? War es ein Versehen, oder ist er gestolpert? Oder hat Jean ihn mit Absicht gestochen.«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Sie hat so gemacht«, sagte er, während er seine Hand gerade vor sich hielt.
»Aha. Wie heißt du eigentlich?«
»Tavon.«
»Vielen Dank, Tavon. Du hast uns sehr geholfen.«
Worden und Kincaid lenkten ihren Cavalier aus dem anwachsenden Heer von Streifenwagen und fuhren Richtung Osten zur Notaufnahme der Universitätsklinik. Beide waren sich ziemlich sicher, dass bei diesem Fall Regel Sechs aus dem Lexikon des Morddezernats zur Geltung kam. Merke:
Lässt sich bei einem tätlichen Angriff ein Verdächtiger identifizieren, wird das Opfer überleben. Wenn nicht, wird das Opfer sterben. Und wie zur Bestätigung trafen sie in einem Untersuchungsraum auf Cornell Robert Jones, siebenunddreißig Jahre alt, der bei vollem Bewusstsein und munter auf dem Rücken lag, während ihm eine blonde Assistenzärztin – eine ausgesprochen attraktive Blondine – auf der Wunde an der Innenseite des linken Oberschenkels einen Druckverband anlegte.
»Mr. Jones?«, fragte Worden.
Der Mann nickte kurz, obwohl er sich vor Schmerz krümmte.
»Mr. Jones, ich bin Detective Worden vom Polizeipräsidium. Können Sie mich verstehen?«
»Ja«, sagte der Mann, dessen Stimme unter der Sauerstoffmaske kaum zu hören war.
»Wir waren bei Ihnen zu Hause, und die Leute sagen, Ihre Freundin – oder ist es Ihre Frau …«
»Meine Frau.«
»Sie sagen, Ihre Frau hätte auf Sie eingestochen. Stimmt das?«
»Verdammt noch mal, sie ist mit dem Messer auf mich los.« Er krümmte sich erneut zusammen.
»Sind Sie nicht vielleicht in das Messer hineingelaufen, oder so was?«
»Wie kommen Sie denn darauf? Sie ist damit auf mich losgegangen.«
»Wenn wir jetzt dem Officer Bescheid geben, dass er Ihre Frau festnimmt, werden Sie also nicht morgen Ihre Meinung ändern?«
»Bestimmt nicht.«
»Na gut«, sagte Worden. »Haben Sie eine Idee, wo Ihre Frau jetzt stecken könnte?«
»Keine Ahnung. Vielleicht bei einer Freundin oder so.«
Worden nickte, dann sah er hinüber zu Kincaid. Der hatte die Assistenzärztin in den letzten fünf Minuten einer so gründlichen Inspektion unterzogen, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war.
»Ich sage Ihnen eins, Mr. Jones«, tönte Kincaid. »Sie sind hier in guten Händen. In wirklich guten Händen.«
Verärgert und ein bisschen verlegen sah die Ärztin auf. Da hatte Worden einen Geistesblitz, und er begann boshaft zu grinsen. Er beugte sich über das Ohr des Mannes. »Wissen Sie, dass Sie verdammtes Glück gehabt haben, Mr. Jones?«, flüsterte er dramatisch.
»Was?«
»Sie haben Glück gehabt.«
Mit schmerzverzogenem Gesicht blickte der Mann den Detective an. »Was, zum Teufel, soll das denn heißen?«
Worden lächelte. »Tja, so wie es scheint, hatte sie es auf Ihren Henry abgesehen. Und ihn nur um ein paar Zentimeter verfehlt.«
Cornell Jones unter seiner Sauerstoffmaske begann plötzlich dröhnend zu lachen. Auch die Ärztin konnte sich kaum beherrschen und verzog das Gesicht, um nicht laut loszuprusten.
»Ja«,
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