Homicide
meinte Kincaid, »Sie waren verdammt nah dran, nur noch Sopran zu singen, so ein großer Kerl wie Sie.«
Cornell Jones bebte vor Lachen.
Worden hob beruhigend die Hand. »Ich wünsch’ Ihnen was.«
»Ja, Mann, ich Ihnen auch«, erwiderte Cornell noch immer lachend.
Auf welchen Mist wir hier draußen stoßen, dachte Worden auf der Rückfahrt ins Büro. Und, bei Gott, manchmal liebe ich meinen Job.
Sonntag, 1. Mai
»Irgendwas ist da faul«, sagt Terry McLarney.
Eddie Brown hat Kalkulationen, Statistiken und Tabellen vor sich ausgebreitet. Wenn er diesmal nicht die vierstellige Lottozahl des morgigen Tages herausbekommt, soll ihn der Teufel holen. Er ist so in diese Aufgabe vertieft, dass er nicht aufblickt, während er antwortet.
»Was meinst du?«
»Sieh dich doch um«, meint McLarney. »Ständig klingelt das Telefon, es melden sich alle möglichen Informanten, und rechts und links hagelt es Dunker. Selbst das Labor kommt mit Treffern bei Fingerabdrücken rüber.«
»Ja, und?«, fragt Brown. »Was stört dich daran?«
»Das ist nicht normal«, erwidert McLarney. »Ich fürchte, wir müssen demnächst dafür büßen. Wahrscheinlich wartet da draußen irgendwo ein Haus mit zwölf vermoderten Leichen im Keller auf uns.«
Brown schüttelt den Kopf. »Du denkst zu viel«, erklärt er McLarney.
Eine seltene und etwas absurde Art von Kritik an einem Cop in Baltimore, und McLarney lacht. Als Sergeant und als Ire ist es sein Los, auch den kleinsten Silberstreif am Horizont in eine graue Wolke zu hüllen. Rot wird auf der Tafel zu Schwarz. Morde werden aufgeklärt. Das Böse wird bestraft. Gütiger Herr, denkt McLarney, welchen Preis werden wir dafür zahlen müssen?
Die Serie begann vor einem Monat in der Kirk Avenue in den verkohlten Ruinen eines ausgebrannten Hauses. Donald Steinhice sah zu, wie die Feuerwehrleute die pechschwarzen Trümmer beiseiteräumten und die Leichen von drei Kindern freilegten. Das älteste war drei Jahre, das jüngste fünf Monate alt, und sie lagen im Schlafzimmer im ersten Stock, zurückgelassen von flüchtenden Erwachsenen. Steinhice, einem altgedienten Kollegen aus Stantons Schicht, war die Geschichte sofort klar, als er die Spuren des Brandbeschleunigers sah – erkennbar als dunkle, lang gezogene Flecken auf Fußboden und Wänden: Mutter schickt Freund zum Teufel, Freund kommt mit Petroleum zurück, Opfer sind die Kinder – ein Szenario, das in den letzten Jahren im Stadtzentrum immer häufiger anzutreffen war. Vier Monate zuvor war MarkTomlin zu einer Brandstiftung gerufen worden, bei der zwei Kinder ums Leben kamen. Und es ist gerade eine Woche her, nicht einmal einen Monat nach den entsetzlichen Ereignissen in der Kirk Avenue, dass eine weitere Wohnung vom Freund der Mutter in Brand gesetzt worden war und ein einundzwanzig Monate altes Kleinkind und seine sieben Monate alte Schwester den Tod fanden.
»Die Erwachsenen schaffen es immer noch ins Freie«, erklärte Scott Kelly, der leitende Ermittler im letzten Fall und Veteran des CID-Branddezernats. »Doch die Kinder bleiben zurück.«
Anders als bei den vorherigen Fällen forderte die Kirk Avenue einen emotionalen Preis: Steinhice, der wohl etwa tausend Tatorte aufgenommen hatte, litt zum ersten Mal wegen eines Verbrechens unter Albträumen: eindrückliche Bilder hilfloser Kinder, die schreiend und voller Angst und Panik auf dem oberen Treppenabsatz eines Reihenhauses standen. Dennoch konnte Steinhice, als man den Freund der Mutter in Handschellen ins Präsidium brachte, so viel Einfühlungsvermögen aufbringen, dass er ihm ein volles Geständnis entlockte. Und es war Steinhice, der dazwischenging, als der Mann nach seinem Geständnis eine Limodose auseinanderriss und versuchte, sich mit den scharfen Kanten die Pulsadern aufzuschneiden.
Während Steinhice an der Kirk Avenue schwer zu schlucken hatte, war es Balsam auf die Seelen der beiden Schichten des Morddezernats. Drei Tote, eine Festnahme, drei aufgeklärte Fälle – eine Bilanz, die womöglich den Beginn einer Trendwende ankündigte.
Und so war es. In der folgenden Woche bekam Tom Pellegrini einen Dunker im Civic Center, wo ein Streit unter Arbeitskollegen in einem Messerangriff geendet hatte. Darauf folgte Requer mit einem Fall, der sich gleich lösen ließ: einem Doppelmord mit anschließendem Selbstmord im Southeastern. Ein psychisch labiler Automechaniker hatte in der Küche erst seine Frau und seinen Neffen erschossen und dann, um klar Schiff zu machen, die
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