Homicide
selbst, verdiente mit einer in der Freizeit betriebenen Baufirma Tausende Dollar. In einem Witz über ihn hieß es, Landsman kann den Mord an deiner Mutter in einer Woche aufklären, braucht aber nur vier Tage, wenn du außerdem deine Terrasse hinter dem Haus neu pflastern lassen willst.
Andererseits gab es aber auch zwei gute Gründe zu bleiben. Einer hieß Diane und war die rothaarige Sekretärin von der Sonderermittlung am anderen Ende des Flurs. Als sie den Mut aufbrachte, Worden, den Big Man, zu zähmen, hatte sie sich Achtung und Sympathie des gesamten Dezernats erworben. In Wahrheit aber war Worden ihr verfallen, wie sein goldener Siegelring an der linken Hand mit dem eingravierten D&D deutlich besagte. Doch selbst, wenn sie am nächsten Tag heirateten – und Worden sich damit abfand, dass es etwas Dauerhaftes war –, hätte Diane keinen Anspruch auf den vollen Satz, sofern er nicht noch ein weiteres Jahr im Dezernat blieb. Als neunundvierzigjähriger Cop mit Bluthochdruck galt es, so etwas im Auge zu behalten.
Und dann war da noch die nicht ganz so praktische Ebene mit der leisen, aber deutlichen inneren Stimme, die ihm sagte, er sei für diesen und keinen anderen Job geschaffen, er habe ja immer noch verdammt viel Zeit. Wenn er ehrlich war, wollte Worden diese Stimme auch zukünftig beachten.
Eine Woche zuvor hatte Waltemeyer die Akte eines Mordfalls aus dem Jahr 1975 aus dem Archiv geholt. Es ging um einen bewaffneten Raub in einer Bar in Highlandtown. Für den angeklagten Schützen war damals zwar ein Haftbefehl rausgegangen, doch man konnte ihn nicht dingfest machen. Wer hätte geglaubt, dass der Täter nach dreizehn Jahren plötzlich in Salt Lake City auftauchen und einem Freund von einem Verbrechen erzählen würde, das er schon allseits vergessen wähnte? Vor allem aber – wer hätte geglaubt, dass die Fotos der Gegenüberstellung noch in der Akte lagen, Fotos aus dem Jahr 1975 von fünf Detectives in einer Reihe mit einem Verdächtigen? Einer von ihnen war ein stämmiger junger Mann mit dichtem Blondschopf, der aus tiefblauen Augen in die Kamera blickte und sich angestrengt bemühte, viel böser auszusehen als ein Detective vom Raubdezernat. Donald Worden war sechsunddreißig, als das Foto entstand – zäher, schlanker, mit einer karierten Hose und einem Polyestertrenchcoat ein wenig schräg gekleidet, aber eben typisch für einen aufstrebenden Detective im Baltimore einer anderen Zeit.
Als hätte er die mumifizierten Überreste eines Pharaos ausgegraben, stolzierte Waltemeyer durch den Mannschaftsraum und ließ das Foto herumgehen. Nein, erklärte Worden, ich will es nicht als gottverdammtes Souvenir mitnehmen.
Nur das Klingeln des Telefons und eine Messerstecherei an der West Side konnten den Tag noch für ihn retten. Beim ersten Alarm war er auf den Beinen, notierte sich Adresse und Zeitpunkt des Anrufs aus der Leitstelle und war schon auf halbem Weg zum Fahrstuhl, ehe die anderen Detectives den Anruf überhaupt mitbekamen.
Kincaid, ein weiterer Detective mit zwanzigjähriger Dienstzeit, war bei dem Einsatz in der Franklintown Road sein Partner. Es handelte sich um einen klaren Beziehungsstreit, in dem die eine Partei zum Messer gegriffen hatte. Es lag jetzt noch auf dem Rasen im Vorgarten, und eine Blutspur führte geradewegs ins Reihenhaus. Auf dem Wohnzimmerboden lag in einer drei Quadratmeter großen purpurroten Blutlache das Telefon, mit dem sich der Mann beim Notruf gemeldet hatte.
»Himmel noch mal, Donald«, sagte Worden. »Der Täter muss eine Schlagader getroffen haben.«
»O Mann«, antwortete Kincaid. »Sieht ganz so aus.«
Draußen auf den Eingangsstufen notierte sich ein Officer mit der von ihm erwarteten Nüchternheit die Einzelheiten für seinen Bericht. Als er jedoch nach den Dienstnummern der beiden Detectives fragte – die an Beamte in chronologischer Reihenfolge ihres Eintritts in den Polizeidienst vergeben werden –, blickte er verwundert auf.
»A-sieben null drei«, gab Worden an.
»A-neun null vier«, erklärte Kincaid.
Detectives der Gruppe A waren spätestens 1967 in den Dienst getreten. Der Uniformierte, ein Angehöriger der D-Gruppe, schüttelte den Kopf. »Gibt es bei euch im Morddezernat überhaupt noch jemanden, der weniger als zwanzig Dienstjahre hat?«
Worden antwortete nicht, und Kincaid macht sich gleich an die Arbeit. »Ist unser Opfer in der Uniklinik?«, fragte er.
»Ja. In der Notaufnahme.«
»Wie war sein Zustand?«
»Sie waren dabei, ihn
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