Homicide
Gerichtssaal des Central District, als Larry Young wegen seines in den Medien ordentlich breitgetretenen Fehlverhaltens der Prozess gemacht wurde.
Prozess ist vielleicht das falsche Wort für das, was hier tatsächlich stattfand. Es war eher ein Spektakel, eine öffentliche Darbietung von Staatsanwälten und Detectives, die eigentlich kein Interesse daran hatten, dass der Fall offensiv verfolgt wurde. Auf Anklageseite hatte Tim Doory persönlich den Fall übernommen, und zwar mit genau so viel Elan, dass er seine Sache in dem allein vor einem Richter geführten Prozess verlor. Bei der Schilderung, unter welchen Umständen der Senator fälschlich seine eigene Entführung angezeigt hatte, verzichtete er umsichtigdarauf, den Assistenten des Politikers in den Zeugenstand zu rufen, wodurch jede Erwähnung des Motivs für die vorgetäuschte Entführung entfiel und Enthüllungen über das Privatleben des Senators unterblieben.
Es war ein gnädiger, honoriger Akt, und Worden begriff und akzeptierte es. Nicht akzeptieren konnte er, dass diese öffentliche Demonstration überhaupt nötig war. Es machte ihn wütend, dass die Staatsanwaltschaft und die Polizei unbedingt den Eindruck erwecken wollten, sie verfolgten öffentliche Vergehen mit solchem Ernst, dass Larry Young angeklagt, vor Gericht gestellt und dann vom Vorwurf einer kleinen Dummheit freigesprochen werden musste. Trotzdem stürzte sich Worden bereitwillig in sein Schwert, als er in den Zeugenstand trat. Vom Anwalt des Senators nach dem zentralen Gespräch gefragt, in dem Young gestanden hatte, dass kein Verbrechen vorlag, zögerte der Detective nicht, ein möglichst großes Loch in die Anklage der Staatsanwaltschaft zu stanzen.
»Nur damit ich Sie nicht falsch verstehe, Detective, Sie haben dem Senator gesagt, dass er nicht beschuldigt werde, wenn er Ihnen gegenüber zugebe, es sei kein Verbrechen geschehen?«
»Ich habe ihm gesagt, ich werde ihn nicht beschuldigen.«
»Aber er wurde beschuldigt.«
»Nicht von mir.«
Dann bestätigte er, dass der Senator die Vortäuschung der Entführung erst zugegeben habe, nachdem er ihm zugesagt habe, in diesem Falle würden keine weiteren Ermittlungen aufgenommen. Worden schilderte außerdem in allen Einzelheiten das Ende des Gesprächs, bei dem Young erklärt habe, es liege kein Verbrechen vor, und er werde die ganze Sache auf privatem Weg regeln.
Der Anwalt des Senators beendete das Kreuzverhör mit einem schmallippigen, doch zufriedenen Lächeln. »Danke, Detective Worden.«
Danke, ja genau. Da hiermit das Eingeständnis des Senators als erzwungen dargestellt worden war und der Staatsanwalt nicht geneigt war, das Motiv für die falsche Anzeige zu ergründen, brauchte der Richter des District Court nicht viel Zeit, um zu dem erwarteten Urteil zu kommen.
Beim Verlassen des Gerichtssaals kam Larry Young auf Donald Worden zu und streckte ihm die Hand entgegen. »Danke, dass Sie nicht gelogen haben«, sagte er.
Worden blickte überrascht auf. »Warum sollte ich lügen?«
Unter den gegebenen Umständen war das eine ziemliche Beleidigung. Denn tatsächlich, warum sollte ein Detective lügen? Warum sollte er einen Meineid leisten? Warum sollte er seine Integrität aufs Spiel setzen und erst recht seinen Job und seine Pension, nur um einen Fall wie diesen zu gewinnen? Um einem Politiker eins auszuwischen? Um sich bei Larry Youngs politischen Gegnern für immer beliebt zu machen?
Wie jeder Cop hatte auch Worden eine zynische Ader, aber er war nicht unempfindlich. Offene Morde und offener Betrug – die beiden großen Themen seines gottverlassenen Jahrs – schienen ihn immer noch mehr umzutreiben als viele jüngere Detectives. Sie kam nicht oft zum Vorschein, aber im Innern köchelte bei Worden immer noch eine hartnäckige Wut, eine stille Rebellion gegen die Trägheit und Politik seiner Behörde. Nur selten durften diese Emotionen an die Oberfläche treten. Vielmehr nagten sie tief in seinem Innern an ihm und trugen zu seinem enormen, schwer zu kontrollierenden Bluthochdruck bei. Während der Sache mit Larry Young ließ Worden nur einmal seinem Zorn freien Lauf, und zwar bei einem kurzen Wortwechsel im Kaffeeraum, als Rick James versuchte, seinen Partner aufzuheitern.
»He!, du bist nicht dafür verantwortlich«, sagte James. »Was, zum Teufel, willst du machen?«
»Ich sage dir, was ich vorhabe«, knurrte Worden. »Ich werde jemandem meinen Revolver in den Mund stecken, und dieser Jemand befindet sich in diesem
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