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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Brown
    Sir,
    Mit Sorge und Enttäuschung möchte ich Sie auf die abscheuliche und schamlose Zufügung psychischen Leids aufmerksam machen, die mir alsVorgesetztem heute zuteil wurde. Ich habe so etwas in diesem aufgeklärten Dezernat bisher noch nicht erlebt und immer gehofft, dass ich es auch nie erleben würde. Sie sollen aber wissen, dass Det. David John Brown am heutigen Tag zweimal meine Vorfahren aufs Grausamste verbal angegriffen hat, zuerst, indem er mich als »kleiner irischer Kartoffelkopp« bezeichnete, und später als »gottverdammten irischen Katholik«.
    Sie, der Sie selbst von niederer Abstammung sind, können meine Scham und meinen Zorn sicher verstehen. Wie Sie wissen, erblickte meine Mutter das Licht der Welt in Irland und wuchs dort auf, und mein Vater ist der Abkömmling anständiger Menschen, die während der furchtbaren Hungersnot durch die Kartoffelpest von der geweihten Insel flüchten mussten, was die Sache mit dem Kartoffelkopp besonders schmerzlich macht.
    Sir, ich würde es vorziehen, wenn Sie diese Angelegenheit intern regeln würden, da ich meiner Familie gern den Kummer und die Scham ersparen möchte, die sie ertragen müssten, wenn die Sache durch Gerichte und zivilgerichtliche Klagen an die Öffentlichkeit käme. Daher habe ich beschlossen, mich nicht an den Beschwerdeausschuss des Dezernats zu wenden, mir allerdings das Recht vorzubehalten, die Angelegenheit der zuständigen Bundesbehörde vorzutragen, sollten sich alle internen Maßnahmen als unzureichend erweisen. Brown lief früher Streife in Inner Harbor, er kennt das Gebiet. Gut vertraut ist ihm auch die Edmondson Avenue …
    Spaßmacherei. Ein bisschen zu spaßig, dachte Worden, als er eine Kopie des Schreibens las. McLarneys offensichtliche Begeisterung für Dave Brown hatte immerhin dazu beigetragen, dass Carol Wright nur noch eine blasse Erinnerung war. Wenn der Fall Nina Perry überhaupt eine Bedeutung hatte, dann war es jetzt an der Zeit, dass Brown den Beweis dafür lieferte. Wollte er wirklich Mordfälle bearbeiten? Hatte er überhaupt eine Ahnung, was das hieß? Oder war er nur hier, um Überstundenzettel einzureichen und jeden zweiten Abend bis zur Sperrstunde im Kavanaugh’s zu hocken? Wenn McLarney Dave Brown nicht Dampf machte, würde der Big Man es eben selbst übernehmen. Drei Wochen lang hatte Worden knietief in der Scheiße des jüngeren Detective gesteckt und gehofft, dass mal ein bisschen Bewegung in den Fall käme, den Brown gern vom Tisch hätte. Worden hatte sein volles Programm durchgezogen – kalt, fordernd und ein kleines bisschen boshaft.Für Dave Brown, einen Mann, der nichts weiter will, als sich in seinem jüngsten Erfolg zu sonnen, gibt es keine Freude, keine Gnade und absolut kein Entkommen.
    Und jetzt, in der ruhigen Tagschicht, ist der jüngere Detective doch tatsächlich so dumm, sich mit der neuen Ausgabe des
Rolling Stone
im Kaffeeraum erwischen zu lassen, was von äußerster Arbeitsunwilligkeit zeugt. Worden braucht nur den Raum zu betreten und sich zu vergewissern, dass die Carol-Wright-Akte nicht auf Browns Tisch liegt.
    »De-
tec
-tive Brown«, sagt Worden, jede Silbe durchbebt von Verachtung.
    »Ja?«
    »Detective Brown …«
    »Was gibt’s?«
    »Ich wette, das hörst du gern, stimmt’s?«
    »Was hör ich gern?«
    »Detective Brown. Detective David John Brown.«
    »Fick dich ins Knie, Worden.« Worden starrt den jüngeren Detective so lange an, dass sich Brown nicht mehr auf seine Zeitschrift konzentrieren kann.
    »Hör auf, mich so anzustarren, du alter Wichser.«
    »Ich starre dich nicht an.«
    »Und ob du das tust.«
    »Das ist dein schlechtes Gewissen.« Brown sieht ihn verständnislos an.
    »Wo ist der Fall Carol Wright?«, fragt Worden.
    »He!, ich musste den Ermittlungsbericht zum Fall Nina Perry tippen …«
    »Das war letzten Monat.«
    »… und ich habe diese Woche einen Haftbefehl im Fall Clayvon, meinem kleinen Jungen, geschrieben. Also gönn mir mal eine Pause.«
    »Mir blutet das Herz«, erwidert Worden. »Ich habe dich nicht nach Clayvon Jones gefragt, oder? Was gibt’s Neues zu Carol Wright?«
    »Nichts. Ich hab mein Bestes getan.«
    »De-tec-tive Brown …«
    Dave Brown zieht seine obere Schublade heraus, greift nach der 38erund zieht sie halb aus dem Holster. Worden ist nicht nach Lachen zumute.
    »Gib mir ‘nen Quarter«, sagt er.
    »Wozu denn?«
    »Gib mir ’nen Quarter.«
    »Wenn ich dir ’nen Quarter gebe, hältst du dann die Klappe und lässt mich in

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