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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Brown, der zusammen mit McLarney an der Sache arbeitete, leistete gute Arbeit, indem er einen der Verdächtigen so weichkochte, dass er ein volles Geständnis ablegte und Detectives zu den bereits furchtbar verwesten Überresten des Opfers führte, die er in einem abgelegenen Wald in Carroll County entsorgt hatte.
    Worden beobachtete, wie sich der Fall Nina Perry entwickelte, und dachte, dass vielleicht, nur vielleicht, irgendwo in David John Brownein Detective schlummerte. Beim Fall Perry hatte er seine Arbeit gut gemacht, einfach vorbildlich. Aber weiter ging Wordens Großmut nicht.
    »Clayvon Jones und Carol Wright«, verkündete Worden Ende September. »Mal sehen, wie er mit den beiden zurechtkommt.«
    Aber Clayvon Jones war keine echte Prüfung, nicht, nachdem Eddie Brown vier Tage zuvor mit einem Brief vom Stadtgefängnis in der rechten Hand in den Kaffeeraum stolziert war.
    »Sag’s deinem Daddy«, forderte der ältere Detective Dave Brown auf und ließ den Brief mit einer schwungvollen Geste auf seinen Schreibtisch fallen. Dave Brown las etwa drei Zeilen, bevor er sich in betender Haltung zu der grünen Trennwand umdrehte.
    »Danke, Herr Jesus. Danke, mein Jesus. Danke, mein Jesus. Danke. Danke. Danke.«
    »Und, kümmere ich mich um dich?«, fragte Eddie Brown.
    »Ja. Du bist wie ein Daddy zu mir.«
    Der Brief war am Nachmittag in der Verwaltung eingetroffen, ein hastig hingekritzeltes Schreiben von einem Gefangenen, der im Juni den Mord an Clayvon Jones in dem Hof auf der East Side beobachtet hatte. Drei Monate später versuchte dieser Zeuge, der eine Drogengeschichte am Hals hatte, ein Tauschgeschäft zu machen. Der an das Morddezernat adressierte Brief enthielt Einzelheiten zum Tatort, die nur ein echter Zeuge kennen konnte.
    Nein, der Mord an Clayvon Jones taugte nicht besonders für ein Lehrstück. Die Auflösung war so simpel gewesen, dass er nach Wordens wohlerwogener Meinung dem Lorbeerkranz, auf dem Brown sich mit seinem fetten Hintern ausruhte, nur ein weiteres Blättchen hinzufügte. Blieb also Carol Wright, die Frau, die auf dem Parkplatz in South Baltimore überfahren worden war. Ein paar Wochen lang hatte Brown zumindest davon gesprochen, dass er sich die Akte noch einmal vornehmen und die alten Hinweise durchsehen wollte, obwohl der Tafel nach der Fall Carol Wright immer noch kein Mord und deshalb eigentlich auch kein Fall war. Jetzt aber erwähnte er die Geschichte nicht einmal mehr, und auch McLarney als Browns Sergeant machte deswegen keinen Stunk. Nachdem Nina Perry und Clayvon Jones nun sicher im schwarzen Bereich gelandet waren, hegte McLarney eine neue Wertschätzung für Dave Browns Talente.
    Aus McLarneys Sicht fiel der Fall Perry ganz besonders ins Gewicht. Brown hatte sich äußerste Mühe gegeben, und ein schwieriger Fall mit einem wahren Opfer war gelöst worden. Mit der Festnahme war Brown der Held der Woche und hatte das Recht auf ein oder zwei Bier mit seinem liebevollen und treu sorgenden Sergeant im Kavanaugh’s. McLarney war sogar so erfreut über den Fall Perry, dass er Brown bei der Nacharbeit half, Papierkram erledigte und das Beweismaterial durchsah. Allerdings sperrte er sich, als es darum ging, die von Maden zerfressenen Kleider des Opfers in der Rechtsmedizin abzuholen.
    »Komm, lass, Dave. Ich helf dir morgen dabei«, sagte McLarney, als er eine kurze Kostprobe von dem Gestank bekam. »Wir kommen morgen früh wieder.«
    Dave Brown erklärte sich bereitwillig einverstanden und fuhr als glücklicher Mensch ins Präsidium zurück, glücklich zumindest, bis ihm klar wurde, dass McLarney am nächsten Tag keinen Dienst hatte.
    »Warte eine Sekunde«, sagte er, als er den Cavalier in der Garage parkte. »Du hast morgen frei.«
    McLarney kicherte.
    »Du kleiner irischer Kartoffelkopp.«
    » Kartoffelkopp?«
    »Du hast mich reingelegt, du gottverdammter irischer Katholik.« Das war der neue und bessere Dave Brown, weit entfernt von dem Detective, der noch einen Monat zuvor in einer Eingabe gebettelt hatte, doch bitte, bitte im Morddezernat bleiben zu dürfen. Man muss sich schon ziemlich sicher fühlen, um seinen direkten Vorgesetzten eine irische Mistkartoffel zu nennen. Und natürlich gefiel McLarney das. Vor einer Schreibmaschine im Verwaltungsbüro sitzend verewigte er Dave Browns Verbalinjurie in einem Schreiben an den Lieutenant:
    An: Lt. Gary D’Addario, Morddezernat
    Von: Sgt. Terry McLarney, Morddezernat
    Betr.: rassistische Bemerkungen von Det. David John

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