Homicide
Gebäude.«
James beließ es dabei. Was hätte er auch noch sagen sollen?
Zur selben Zeit bekam Terry McLarney handfeste Depressionen, nachdem er gehört hatte, dass Worden sein Interesse an einer offenen Ermittlerstelle in der Rechtsmedizin zum Ausdruck gebracht hatte. Worden ist weg, sagte er zu den anderen. Wir verlieren ihn an das beschissene Jahr, das er hinter sich hat.
»Im Augenblick sieht er müde aus« meinte McLarney. »Ich habe Donald noch nie so erschöpft gesehen.«
McLarney klammerte sich an einen Strohhalm: Man musste Worden wieder mit neuen Morden auf die Straße schicken. Gute Morde, gute Einsätze. Wenn es überhaupt etwas gab, was ihn alles andere vergessen ließ, dann war es echte Polizeiarbeit.
Aber die Monroe Street war echte Polizeiarbeit gewesen und der Rideout-Fall ebenfalls. Sie waren nur erbärmlich ausgegangen. Auch Worden selbst war sich nicht richtig sicher, woran es lag, und er hatte keine Ahnung, wohin ihn der Tunnel führte, in dem er sich befand, oder ob es überhaupt ein Licht an dessen Ende gab. Das Einzige, was feststand, war, dass sich Donald Worden an die Dunkelheit gewöhnt hatte.
Doch dann tauchte plötzlich ein kleiner Silberstreif am Horizont auf. Ende September löste die Nachtschicht auf einmal Fälle wie am Fließband, als Worden jede Leiche abarbeitete, die ihm unter die Augen kam. Und eine Woche nachdem die Fälle gelöst waren, schnappte er sich bei der Tagschicht noch einen echten Whodunit. Es war der typische unlösbare Fall: eine nackte Frau, die zerstückelt hinter einer Grundschule in der Greenspring Avenue gute zwölf Stunden nach dem Mord von einem Postbeamten entdeckt worden war. Kein Ausweis, keine Übereinstimmung mit einer Vermisstenmeldung.
Die Eleganz von Wordens Arbeit bestand nicht in der Aufklärung, obwohl er, so unglaublich es klingen mag, tatsächlich einen Verdächtigen auftrieb, nachdem er über ein Jahr an der Akte drangeblieben war. Die Eleganz lag darin, dass er nicht zuließ, dass diese Frau eine Unbekannte – »eins der Schafe«, wie er sich ausdrückte – blieb und ein Armenbegräbnis für 200 Dollar bekam, ohne dass Freunde oder Verwandte davon erfuhren.
Sechs Tage lang war Worden auf den Straßen unterwegs und suchte nach einem Namen. Die Fernsehsender und Zeitungen wollten kein Foto vom Gesicht der Frau bringen: Es war zu offensichtlich, dass sie tot war. Für ihre Fingerabdrücke fanden sich weder im Computer des Dezernats noch in der Datenbank des FBI Übereinstimmungen. Und obwohl die Leiche sehr sauber war – ein Hinweis darauf, dass die Frau irgendwo gewohnt hatte –, meldete niemand, dass irgendwo eine Mutter, Schwester oder Tochter nicht nach Hause gekommen war. Worden überprüfte das Wohnheim für obdachlose Frauen in der nahe gelegenenCottag Avenue. Er erkundigte sich in den Entzugs- und Drogenzentren, weil die Leber des Opfers bei der Autopsie ein wenig grau gewesen war. Er fragte überall in den Straßen um die Grundschule und entlang der nächsten Buslinie.
Der Durchbruch kam eines Abends, als er das Foto in sämtlichen Bars und Imbissbuden von Pimlico herumzeigte. In der Preakness Bar erinnerte sich schließlich jemand an die Frau und dass sie einen Freund namens Leon Sykes hatte, der drüben in der Moreland Avenue wohnen sollte. Das fragliche Haus stand leer, aber ein Nachbar riet ihm, es in der Bentalou Street 1710 zu versuchen. Dort hörte sich ein junges Mädchen Wordens Geschichte an und schickte ihn zur Longwood Street 1802. Leon Sykes sah sich das Foto an und sagte, die Frau heiße Barbara.
»Und ihr Nachname?«
»Wusste ich nie.«
Aber Leon konnte sich noch erinnern, wo die Tochter der Toten wohnte. Und so wurde durch gute, solide Polizeiarbeit aus der unbekannten Toten – weiblich, schwarz, Ende zwanzig – Barbara Womble, neununddreißig, wohnhaft in der Moreland Avenue 1633.
Nach diesen sechs Tagen und Nächten und den vielen Umwegen hatte niemand mehr Zweifel: Worden war wieder da. Er hatte sein schlimmstes Jahr überstanden.
Ein weiteres Zeichen für die triumphale Rückkehr des Big Man war, dass er wieder unablässig Dave Brown schikanierte. Dass der sich von dem Fall Carol Wright abgeseilt hatte, war dem älteren Detective nicht entgangen. Zumindest für eine gewisse Zeit im September redete sich Brown mit den Ermittlungen im Fall Nina Perry heraus. Ein paar Junkies waren im Wagen einer Frau aus der Stricker Street verhaftet worden, die eine Woche zuvor als vermisst gemeldet worden war.
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