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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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lässt alle Verhöre gleichgültig über sich ergehen. Ein Durchsuchungsbefehl fördert keine Tatwaffe zutage.
    Garvey bleibt natürlich nichts anderes übrig, als Anklage erheben zu lassen. Er weiß, dass Warren Waddell Carlton Robinson ermordet hat. Außerdem ist er es sich schuldig, auch diesen Fall in seinem Traumjahr erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Aber als Waddell zur Untersuchungshaft ins Stadtgefängnis überstellt wird, weiß der Detective, dass dies ein Fall ist, den die Anwälte entscheiden werden.
    Enttäuscht von der ersten Reaktion der Staatsanwaltschaft, bittet Garvey Don Giblin, seinen Golfpartner aus der Abteilung Gewaltverbrechen, für ihn Ausschau nach einem erfahrenen Staatsanwalt zu halten. Garvey kennt die Prozessabteilung der Staatsanwaltschaft gut genug, um zu wissen, dass die Hälfte der dortigen Anklagevertreter dem Fall beim ersten Blick in die Akte keine Chance geben wird. Was er braucht, ist ein Kämpfer, so jemandem wie im Fall Lena Lucas.
    »Besorg mir einen guten, Don«, sagt er Giblin am Telefon. »Mehr will ich nicht.«

ZEHN
    Schmückt den Saal mit Mistelzweigen,
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Raus die Leichen, auf zum Reigen.
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Sag uns, wenn du hast erfahren,
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Wer die verdammten Mörder waren!
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Schweig nicht länger, wir dir raten,
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Zeugen sind schon eingeladen.
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Glaub nicht, du kannst uns verkohlen,
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Blut klebt an den Turnschuhsohlen.
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Willst du raus aus der Bedrängnis,
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
Liefre schnell uns dein Geständnis!
Tra-la-la-la-la-la-la-la-la!
    Weihnachtslied der Mordkommission
    Freitag, 2. Dezember
    Belustigt beobachtet Donald Waltemeyer den Staatsanwalt, der die Grabungsarbeiten überwacht. Die Prozedur zerfällt in zwei Arbeitsschritte, und Mark Cohens Haltung ändert sich beim Übergang vom ersten zum zweiten sichtbar. Der erste Meter mit dem Bagger ist noch leicht und problemlos, und Cohen regt sich kaum. Bei den nächstenfünfzig Zentimetern aber kommen die Schaufeln zum Einsatz, und als der Staatsanwalt das Gesicht verzieht, meint Waltemeyer, darin etwas anderes zu lesen als frohe Erwartung.
    Der blasse, dürre Cohen mit der Brille und den blonden Locken wirkt neben dem Schrank von Waltemeyer wie ein kultivierter Stan neben einem prolligen Ollie. Cohen ist ein guter Mann, einer ihrer besten Staatsanwälte, und Waltemeyer hätte sich für die Mammutermittlungen in Sachen Geraldine Parrish und ihrer Auftragsmorde keinen besseren Strafverfolger wünschen können. Aber Cohen ist nun mal kein Cop, sondern Anwalt, und je tiefer sich die Schaufeln in die Erde graben, desto unwohler scheint er sich zu fühlen. Gnädig zeigt ihm Waltemeyer eine Fluchtmöglichkeit.
    »Ziemlich kalt hier draußen«, sagt er.
    »Stimmt«, antwortet Cohen und schlägt seinen Kragen hoch. »Ich gehe mal für ’nen Moment ins Auto.«
    »Wollen Sie den Zündschlüssel, für die Heizung?«
    »Nein, es geht schon.«
    Waltemeyer sieht Cohen nach, wie er im Zickzack über das versumpfte Gelände stapft, das völlig aufgeweicht ist, nachdem erst vor Kurzem ein paar Zentimeter Schnee weggetaut sind. Der Staatsanwalt stakst in seinen Stiefeln – Marke L. L. Beans – davon und rafft mit beiden Händen seine Hosenbeine. Waltemeyer weiß, dass es nicht nur die Kälte ist, die ihm zu schaffen macht. Es ist auch der Gestank – schwach, aber trotz der Eiseskälte faulig –, der ab ungefähr eins dreißig Tiefe aus der Grube steigt und dem man nicht entkommen kann.
    Als Waltemeyer hört, dass die Schaufeln auf etwas Festes gestoßen sind, dreht er sich um. Er tritt einen Schritt näher, um über den Rand zu spähen. »Was war das?«
    »Der Deckel«, sagt der Friedhofsleiter. »Da ist der Deckel.«
    Die beiden Totengräber setzen ihre Schaufeln am Rand des Holzes an, um den Sargdeckel von der Erde zu befreien. Doch beim ersten bisschen Druck splittert der Pressspan und gibt nach.
    »Zieht den Mist einfach raus«, sagt der Friedhofsverwalter. »Macht erst gar keine Umstände.«
    »Nicht gerade stabil«, bemerkt Waltemeyer.
    »Kann man wohl sagen«, meint der Verwalter, ein rundlicher Mannmit Grabesstimme. »Sie hat den Kerl so billig unter die Erde gebracht wie nur möglich.«
    Das kann ich mir vorstellen, denkt Waltemeyer. Miss Geraldine war nicht der Typ, ihr sauer verdientes Geld für Beerdigungen

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