Homicide
Spaghetti und Fleischklößchenbestanden habe. Der Angestellte sah in der Speisekarte nach und rief Pellegrini am nächsten Tag an: Am 2. Februar hatte es Hotdogs mit Sauerkraut gegeben. Die Spaghetti hatte das Kind am Abend zuvor gegessen. Irgendwie waren diese Informationen durcheinandergeraten; plötzlich deutete auch der Mageninhalt des Opfers auf eine Ermordung am Dienstagabend hin.
Pellegrini fand es ungeheuerlich, dass solche Grundannahmen aus den ersten Stunden des Falls immer noch infrage gestellt oder durch neue Informationen einfach über den Haufen geworfen wurden. Man brauchte bloß an einem Fädchen zu ziehen, und der ganze Fall fiel auseinander. Wenn sich die Ermittler in nichts sicher sein können und ständig alles infrage stellen müssen, dann steckt ein Fall bald hoffnungslos fest, so Pellegrinis Erfahrung. Die Schätzung des Zeitpunkts des Todeseintritts, der Mageninhalt – was war die nächste Gewissheit, die ihnen unter den Fingern zerrinnen würde?
Aber wenigstens konnten sie trotz der neuen Entwicklungen auch weiterhin einen ihrer aussichtsreichsten Tatverdächtigen im Visier behalten. Zwar lagen die Wohnung und der Laden des Fish Man anderthalb Blocks von der Newington Avenue entfernt – was nicht zu Landsmans Theorie passte, dass der eigentliche Tatort unweit des Fundorts der Leiche sein musste –, andererseits verfügte er über ein Fahrzeug, einen Pick-up, den er sich regelmäßig von einem anderen Händler in der Whitelock Street borgte. Bei der Überprüfung seines Alibis für den Mittwoch fanden die Detectives heraus, dass er in der Nacht, in der die Leiche hinter der Newington Avenue abgelegt wurde, die Schlüssel zum Pick-up gehabt hatte. Andererseits war man bisher davon ausgegangen, dass der Täter die Leiche nicht irgendwo auf einem Hinterhofgelände, sondern an einem einsamen Ort abgelegt hätte, wenn er ein Fahrzeug besaß. Aber vielleicht hatte er in Panik gehandelt? Vielleicht hatte die Leiche relativ offen auf der Pritsche des Pick-up gelegen, nur mit einer Plane bedeckt?
Und warum, zum Teufel, hatte sich der Fish Man in seiner ersten Vernehmung so wenig Mühe gegeben, korrekt zu sagen, wo er am Dienstag und am frühen Mittwoch gewesen war? Hatte er so wenig zu tun, dass er die Tage nicht auseinanderhalten konnte? Oder war es Berechnung gewesen; hatte er einfach vermeiden wollen, ein falsches Alibianzugeben, das die Detectives ohnehin bald erschüttern würden? Beim ersten Verhör hatte der Fish Man für den Dienstag jene Besorgungen aufgeführt, die er mit einem Freund erst am Mittwoch gemacht hatte. Hatte er sich bloß falsch erinnert, oder hatte er bewusst versucht, die Ermittler zu täuschen?
Noch Wochen nach dem Mord machten in Reservoir Hill Gerüchte über das Interesse des Fish Man an Mädchen die Runde, und den Detectives wurden immer neue Vorwürfe von Belästigungen zugetragen. Sie erwiesen sich zum größten Teil als haltlos. Als die Detectives jedoch mit seinem Namen eine Computerrecherche im National Crime Index machten, fanden sie einen einschlägigen Eintrag, der älter war als ihr Verzeichnis im Computer von Baltimore: eine Anklage wegen Unzucht an Minderjährigen aus dem Jahr 1957. Der Fish Man war damals Anfang Zwanzig gewesen, das Opfer, ein Mädchen, vierzehn.
Pellegrini besorgte den Mikrofilm der Akte. Viel mehr, als dass der Fish Man zu einem mageren Jahr verurteilt worden war, gab sie nicht her, trotzdem bestärkte sie die Detectives in ihrem Verdacht, dass sie es mit einem Sexualverbrecher zu tun hatten. Wenigstens konnte Landsman nun seine Durchsuchungsanträge etwas besser begründen.
Am Nachmittag hatte Landsman sie Howard Gersh gezeigt, einem erfahrenen Staatsanwalt, der zufällig im Morddezernat vorbeikam. »He!, Howard, schauen Sie sich das mal an.«
Gersh warf nur einen kurzen Blick auf die Verdachtsgründe.
»Geht durch«, sagte er, »aber geben Sie nicht etwas viel preis?«
Das war eine Frage der Taktik. Wenn dem Antrag stattgegeben wurde, dann würde der Fish Man den Durchsuchungsbefehl auch zu lesen bekommen und erfahren, was ihn nach Ansicht der Detectives mit dem Fall in Zusammenhang brachte. Das würde ihm eventuell Gelegenheit geben, Schwachpunkte seines Alibis auszubügeln. Landsman wies darauf hin, dass der Durchsuchungsbefehl immerhin keine Angaben dazu machte, wer der Geschichte des Tatverdächtigen widersprochen hatte.
»Wir geben keine Zeugen preis.«
Gersh zuckte mit den Achseln und gab ihm das Papier zurück. »Viel
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