Homicide
angetreten. Für echte Cops hat der Anwaltsberuf ohnehin stets etwas leicht Anrüchiges; in ihrer bodenständigen Moral ist auch der beste und ehrlichste Jurist kaum mehr als ein gut bezahlter Knecht, der Sand ins Getriebe der Justizmaschinerie streut. Trotz seines Rechtsstudiums teilte McLarney diese Ansicht: Er war ein Cop, kein Rechtsanwalt.
Doch McLarney war auch einer der intelligentesten und selbstkritischstenMänner im Morddezernat. Er war der Falstaff der Einheit, ein echter Komödiant. Ausgefallene Streiche und schmutzige Witze waren Jay Landsmans Gebiet, McLarneys Humor hingegen war feinsinnig und zurückhaltend, brachte häufig die besondere Art von Kameradschaft zum Ausdruck, die sich in der Polizeiarbeit ergibt. Noch Generationen später werden sich Detectives im Morddezernat von Baltimore Geschichten über T. P. McLarney erzählen. McLarney, der als Sergeant einmal einen Tag lang ein Büro mit Landsman teilen musste und dann mit todernster Miene und in vertraulichem Ton zu D’Addario sagte: »Sergeant Landsman schaut mich so merkwürdig an. Ich glaube, er sieht mich als Sexualobjekt.« McLarney, der nach vier Bier nur noch in Football-Metaphern redete und seinen Detectives mit immer derselben Weisheit kam: »Meine Männer müssen einen Plan haben, wenn sie aufs Spielfeld gehen. Welchen, will ich gar nicht wissen. Hauptsache, sie haben einen.« McLarney, der einmal während einer besonders turbulenten Schicht nach Hause fuhr, um seine Frau und seinen Sohn mit Hilfe seiner 38er vor einer wildgewordenen Maus im Kleiderschrank zu retten. (»Ich hab sie auch weggeräumt«, erklärte er bei seiner Rückkehr den Detectives. »Obwohl, vielleicht hätte ich sie doch als Warnung für die anderen liegen lassen sollen.«)
In seiner Arbeit war McLarney unermüdlich, er bearbeitete alle seine Fälle mit Sorgfalt und Präzision. Seinen größten Triumph hatte er 1982, als er die Ermittlungen im Mordfall Bronstein leitete, einem brutalen Verbrechen an einem älteren jüdischen Ehepaar, das auf dem Boden seines Wohnzimmers in Pimlico an zahlreichen Messerstichen verblutet war. Die beiden Mörder und deren Freundinnen sowie ein gerade erst dreizehnjähriger Neffe kehrten wiederholt in das Haus zurück und stiegen über die Leichen, um noch mehr wegzuschleppen. McLarney arbeitete wochenlang an dem Fall. Er trieb einige der gestohlenen Gegenstände bei einem Hehler in den Perkins-Sozialbauten auf und erfuhr dort die Namen von zwei Tatverdächtigen, von denen später einer zum Tode, der andere zu »lebenslänglich« ohne Bewährung verurteilt wurde.
Wie sich am Fall Bronstein zeigt, war McLarney stets besonders bei der Sache, wenn das Opfer eine Frau war. Diesen Ruf hatte er sich schon vor seiner Zeit als Sergeant im Morddezernat erworben. McLarneysDetectives, die Morde an Frauen bearbeiteten, wurden von ihrem Sergeant stets besonders angetrieben und getriezt. In seiner altmodischen, sentimentalen Auffassung gehörte es zur Männerwelt, Gesetze zu brechen und sich gegenseitig umzubringen, während der Mord an einer Frau eine echte Tragödie war.
»Das hier«, konnte er mit Blick auf ein Tatortfoto sagen, ohne im Geringsten zu spüren, wie abgedroschen es klang, »das hier schreit nach Rache.«
Im März 1976 machte er seine Abschlussprüfung an der Polizeiakademie und wechselte in den Central District. Auch zu dieser Zeit dachte er noch ernsthaft über ein Jurastudium nach, vielleicht sogar über das Gehalt eines Strafverfolgers – was Catherine, seine Frau, sehr unterstützte. Also schrieb sich McLarney an der University of Baltimore ein. Etwa zur selben Zeit steckte ihn sein Sector Sergeant zusammen mit Bob McAllister in einen Streifenwagen, der an der Wache der Pennsylvania Avenue postiert war. Damit begann eine merkwürdige, etwas schizophrene Periode seines Lebens: Tagsüber saß er mit Erstsemestern in Juraseminaren und diskutierte über Schadenersatz- und Vertragsrecht, und abends hatte er Einsätze an den sozialen Brennpunkten der Stadt, den Hochhäusern der Lexington Terrace oder den Murphy Homes. Auf diesem Posten, bei dem man bei jedem zweiten Einsatz den Schlagstock schwingen musste, lernten die beiden Männer, dass sie kämpfen konnten, wenn es darauf ankam. Die Hochhäuser auf der Westseite waren eine Welt für sich: acht vergammelte Elendstürme, der städtische Supermarkt für Heroin und Kokain, vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet. Überdies hatten die beiden Männer 1979 zusammen die Unruhen
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