Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
Eizellen stammten von den tatsächlichen Eltern. Die verwendeten Substanzen sind bis auf eine noch heute üblich. Bei dieser einen Substanz wurde nachgewiesen, dass sie in seltenen Fällen eine spontane Erbgutveränderung auslösen kann.“
„Dann ist das also nichts Besonderes bei Jeremy. Ich schick eine Kopie deiner Analyse an Ferguson. Damit ist das Projekt abgeschlossen.“
„Ich habe noch einen nicht bearbeiteten Hinweis, soll ich das Projekt trotzdem schließen?“
Confidence überraschte ihn immer wieder. Er hatte den Befehl gegeben, das Projekt zu schließen. Ein normales Programm – und vor wenigen Wochen auch noch Confidence – hätte diesen Befehl einfach ausgeführt. Stattdessen eine Verzögerung und eine Rückfrage. Das war ein deutliches Zeichen, dass Confidence sich weiterentwickelte, und zwar in Richtung selbstständiges Denken.
„Was für ein Hinweis, Confidence?“
„Der T-Wert im Datensatz von Jeremy ist nicht identisch mit dem zu erwartenden.“
Tobias wusste, was jetzt kam: Im Datenbestand hieß es wahrscheinlich 75 Jahre, Confidence jedoch hatte 74,47 ausgerechnet und auf 74 abgerundet.
„Wieder ein Rundungsfehler?“, fragte er.
„Im Datensatz steht ein T-Wert von 3, berechnet mit 81 Jahren. Meine Berechnungen ergeben einen tatsächlichen Wert von 287 Jahren.“
„Du hast dich verrechnet, Confidence. 287 ist unmöglich!“
„Es handelt sich um eine Telomerstruktur, die 3,2789-fach länger ist als der in der Fachliteratur angegebene Durchschnittswert.“
Am gleichen Morgen traf To Zhang sich mit Professor Jeong zum Frühstück in einem Londoner Hotel.
To Zhang zog es vor, in der Chinesischen Botschaft zu übernachten, auch wenn die Räume nicht besonders komfortabel waren. In der Botschaft hatte er jederzeit Zugang zu einem abhörsicheren Kommunikationskanal, außerdem fühlte er sich dort weniger beobachtet.
Er hatte seinen Auftrag weitestgehend erledigt. Die Kieselsteine waren inzwischen alle tot. Die offizielle Todesursache lautete bei allen Kreislaufkollaps mit darauffolgendem multiplem Organversagen . Hätte man sie obduziert und gezielt nach einem speziellen Schlangengift gesucht, hätte man geringe Spuren davon nachweisen können. Aber es gab keine Obduktion.
Professor Jeong war wie erwartet über die Umsiedlung des Labors nach Peking nicht erfreut, aus rein privaten Gründen. Er hatte gerade seinen sechsundsiebzigsten Geburtstag gefeiert, wollte sich nun nur noch seinen Hobbys widmen und vor allem nicht mehr umziehen.
Die Modifikation der Eizellen und die In-vitro-Befruchtung war schon zu Beginn der Diamant-Reihe nach China verlegt worden. In London fand nur noch die Grundlagenforschung, die Überwachung und die Gesamtkoordination des Projektes statt. Logistisch war die Umsiedlung also nicht aufwendig, es ging nur noch darum, die Spuren zu beseitigen.
Das Frühstück wurde ihnen serviert, To Zhang absolvierte ungeduldig die obligatorischen Plaudereien, schließlich kam er zum Thema. „Herr Feng ist natürlich nicht erfreut, einen so verdienten Mann und eine Kapazität, wie Sie es sind, zu verlieren. Aber er stimmt Ihrer Bitte, sich pensionieren zu lassen, zu und bedankt sich ausdrücklich für die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Er entschuldigt sich, dass er Sie nicht persönlich verabschieden kann.“
Professor Jeong entspannte sich deutlich, es war offensichtlich, dass er mit Problemen gerechnet hatte.
„Danke. Vielen Dank. Bitte richten Sie Herrn Feng meinen aufrichtigen Dank aus, um unser kleines Geheimnis braucht er sich keine Sorgen zu machen, es gibt außerhalb des Labors weder Aufzeichnungen noch sonstige Hinweise auf unsere Arbeiten.“
To Zhang beobachtete den Professor genau, er kannte ihn zu gut, um das verräterische Zucken in den Augenwinkeln und den kurzen Seitenblick auf sein myCom zu übersehen. Es gab also noch separate Aufzeichnungen, das hatte er sich bereits gedacht. Der Professor war eitel und auch dem wissenschaftlichen Ruhm nicht abgeneigt. Er war der Einzige, der gelegentlich zu Ergebnissen ihrer Forschungen publizieren durfte – und dies mit großem Erfolg.
Es waren zwar immer Abfallprodukte des Projektes Chimäre, aber für die Genforschung allgemein doch so relevant, dass sie in Fachkreisen weltweit Beachtung fanden.
Feng hatte To Zhang seine Befürchtung anvertraut, der Professor könne eine Publikation vorbereiten, die nach seinem Tod für Furore sorgen würde. Da der Koreaner Jeong unverheiratet war, keine Kinder
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