Honeymoon
Rücksitz ihres Streifenwagens. Mitch mit seinen unverbrauchten Reflexen setzte sich ans Steuer und schaltete die Sirene ein, während Will die Kollegen vor Ort in Riverside anfunkte und sie zum Haus schickte. Inzwischen rief ich selbst mit dem Handy zu Hause an.
»Komm schon, komm schon, komm schon«, murmelte ich, während das Rufzeichen ertönte.
Es läutete und läutete.
»Verdammt! Da geht niemand dran!«
Schließlich schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Mit Panik in der Stimme sprach ich meiner Exfrau aufs Band, sie solle mit den Kindern zu den Nachbarn gehen und dort auf das Eintreffen der Polizei warten.
Die fürchterlichsten Gedanken schossen mir durch den Kopf. War Nora schon dort? Woher wusste sie eigentlich, wo
dort
war?
Will beendete das Funkgespräch und drehte sich zu mir um. »Die Kollegen von Riverside werden in ein paar Minuten bei Ihrem Haus sein.« Er deutete mit dem Kopf auf mein Handy. »Niemanden erreicht?«
»Nein«, antwortete ich.
»Gibt's vielleicht auch ein Handy?«
»Da wollte ich es gerade versuchen.«
Ich drückte auf die Kurzwahltaste, doch ich bekam nur die Mailbox dran. Ich hinterließ die gleiche Nachricht, mit der gleichen unheilschwangeren Einleitung. Es war wie im Film. Ich bin's, John. Wenn du mit den Jungs im Haus bist, schnapp sie dir und verschwinde! Wenn ihr auf dem Heimweg seid – fahrt nicht hin.«
Ich ließ den Kopf an die Lehne sinken und stieß ein frustriertes Geheul aus. Der Stauverband unterdrückte den Adrenalinfluss. Wieder überkam mich dieses Schwindelgefühl. Ich versuchte, ganz ruhig zu bleiben und nicht gleich das Schlimmste anzunehmen. Es war unmöglich.
»Schneller, Jungs!«
Der Tacho zeigte schon fast hundertdreißig. Wir hatten die Grenze zu Connecticut überquert und fuhren jetzt schnurstracks nach Süden in Richtung Riverside. Ich kam mir so absolut hilflos vor – dann hatte ich plötzlich eine Idee. Ruf Nora an.
Vielleicht war es ja genau das, was sie wollte. Vielleicht –
hoffentlich
– war das Ganze nur eine leere Drohung gewesen, mit der einzigen Absicht, mir eine panische Angst einzujagen und sich zugleich mehr Zeit zu verschaffen. Ich würde sie anrufen, und sie würde hämisch lachen. Das mit Riverside war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Inzwischen war sie über alle Berge – in der anderen Richtung.
Wenn es doch nur so wäre.
Ich wählte ihre Nummer.
Ließ es zehnmal läuten.
Keine Mailbox.
Keine Nora.
Aus dem Funkgerät tönte statisches Rauschen. Dann meldete sich ein Streifenpolizist aus Riverside. Er stand vor dem Haus. Die Türen waren verschlossen, in einigen Fenstern brannte Licht. Soweit er es beurteilen konnte, war niemand zu Hause.
Ich sah auf meine Uhr. 9 Uhr 10. Sie hätten eigentlich da sein müssen. Um neun war für die Jungs Schlafenszeit.
Will schaltete das Funkgerät auf Lautsprecher. »Keine Anzeichen für einen Einbruch?«
»Negativ«, hörten wir.
»Haben Sie mal bei den Nachbarn gecheckt?«, fragte Mitch, während er abbremste, um eine scharfe Kurve zu nehmen. Die Vorder- und Hinterreifen kreischten in Stereo.
»Sie würde wahrscheinlich zu den Picottes gehen«, warf ich ein. »Das ist das Haus direkt gegenüber. Mike und Margi Picotte; sind Freunde von uns.«
»Wir klingeln da gleich mal«, erwiderte der Polizist. »Wie weit sind Sie noch weg?«
»Zehn Minuten«, antwortete Will.
»Agent O'Hara, hören Sie mich?«, fragte der Polizist.
»Ja, hier«, meldete ich mich.
»Ich würde gerne an einer der Türen Ihres Hauses das Schloss aufbrechen. Ist das okay? Ich will nur sichergehen, dass niemand drin ist.«
»Klar«, sagte ich. »Nehmen Sie am besten gleich eine Axt.«
»Roger.«
Dann war die Verbindung weg, und wir hörten nur noch Rauschen. Die Sirene auf dem Dach des Streifenwagens erfüllte die Nacht mit ihrem Heulen. Im Wagen war es still. Nur die Kleinstadtcops Will und Mitch Cravens und ich.
Im Rückspiegel fing Mitch meinen Blick auf. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Schneller.«
102
Mitch drückte auf die Tube und machte aus den zehn Minuten verbleibender Fahrtzeit fünf. Die letzten fünfzehn Meter bis zu meinem Haus legten wir schleudernd auf quietschenden Reifen zurück. Die nächtliche Straße war vom flackernden blauroten Schein der Einsatzfahrzeuge erhellt. Nachbarn standen in Grüppchen in den Vorgärten herum und rätselten, was wohl dort im Haus der O'Haras vorging.
In diesem Moment nicht allzu viel.
Ich lief auf die offene Haustür zu. In der Diele
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