Hongkong 02 - Noble House Hongkong
und galt als eine Geißel der Geschäftswelt. Sein ätzender Sarkasmus und seine scharfsinnigen Darstellungen von Persönlichkeiten und Geschäftspraktiken, wie sie außer in Hongkong in der ganzen westlichen Welt als bedenklich empfunden wurden, sorgten für ein ständiges Reizklima.
»Die Musik, Vater«, wiederholte Adryon. »Die Musik ist scheußlich. Mutter hat gemeint, ich muß dich fragen. Kann ich ihnen sagen, daß sie etwas anderes spielen sollen?«
»Von mir aus, aber mach kein Happening aus meiner Party!«
Sie lachte, und Dunross wandte seine Aufmerksamkeit wieder Martin Haply zu.
»Guten Abend.«
»Guten Abend. Tai-Pan«, sagte der junge Mann mit einem selbstsicheren, herausfordernden Lächeln. »Adryon hat mich eingeladen. Ich hoffe, es hat Sie nicht gestört, daß ich erst nach dem Dinner gekommen bin?«
»Natürlich nicht. Unterhalten Sie sich gut«, antwortete Dunross, und fügte trocken hinzu. »Es sind eine Menge Freunde von Ihnen da.«
Haply lachte. »Ich habe auf das Dinner verzichtet, weil ich hinter einem Knüller her war.«
»So, so?«
»Ja, wirklich. Wie es scheint, haben gewisse Interessengruppen in Verbindung mit einer gewissen Bank häßliche Gerüchte über die Zahlungsfähigkeit einer gewissen chinesischen Bank in Umlauf gesetzt.«
»Sie meinen die Ho-Pak?«
»Aber es ist alles Unsinn. Gerüchte. Fauler Zauber.«
»Ach ja?« Schon den ganzen Tag hatte Dunross Gerüchte gehört, wonach sich Richard Kwangs Ho-Pak Bank in einer angespannten Lage befinden sollte. »Sind Sie sicher?«
»Lesen Sie meine Kolumne im morgigen Guardian! Und weil wir gerade von der Ho-Pak sprechen – haben Sie gehört, daß in der Filiale in Aberdeen heute nachmittag mehr als hundert Kunden ihr Geld abgehoben haben? Könnte doch der Anfang eines Runs sein und …«
»Tut mir leid, Vater … Komm schon, Martin, siehst du nicht, daß Vater beschäftigt ist?« Adryon beugte sich vor und drückte ihm einen zarten Kuß auf.
»Viel Spaß, Schätzchen!« Von Haply gefolgt, eilte sie davon. Frecher Kerl, dachte Dunross zerstreut, und hätte die Kolumne gern schon jetzt gelesen, denn er wußte, daß Haply ein sehr gewissenhafter, unbestechlicher und guter Journalist war. Konnte es sein, daß Richard sich übernommen hatte?
»Was wollten Sie eben sagen, Mr. Dunross, wegen Alan Medford Grant?«
»Ach ja.« Dunross lehnte sich zurück. »AMG ist tot.«
Die drei Polizeioffiziere starrten ihn an.
»Was?«
»Heute abend, eine Minute vor acht, bekam ich ein Telegramm, und um 9 Uhr 11 sprach ich mit seinem Sekretär in London.« Dunross beobachtete sie. »Ich wollte das ›Wann‹ von Ihnen hören, weil Ihr KGB-Agent – falls es ihn gibt – offensichtlich genug Zeit gehabt hätte, London anzurufen und den armen alten AMG killen zu lassen. Stimmt das?«
»Ja«, erwiderte Crosse in ernstem Ton. »Um wieviel Uhr ist er gestorben?«
Dunross wiederholte ihnen sein Gespräch mit Kiernan, behielt aber die Sache mit der Schweizer Telefonnummer für sich. »Und jetzt stellt sich die Frage: War es ein Unfall, ein Zufall oder war es Mord?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Crosse, »aber ich glaube nicht an Zufälle.«
»Ich auch nicht.«
»Mann, o Mann!« stieß Armstrong hervor. »Wenn AMG keine Erlaubnis hatte … dann wissen nur Gott und Sie, Mr. Dunross, was diese Berichte enthalten. Wenn Sie die Originale besitzen und es sonst keine Kopien gibt, sind sie noch explosiver, als sie es sonst wären.«
»Wenn sie noch da sind«, erwiderte Dunross.
»Sind sie noch da?«
»Das erzähle ich Ihnen morgen. Morgen um zehn.« Dunross erhob sich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, meine Herren«, verabschiedete er sich höflich mit seinem lässigen Charme. »Ich muß mich jetzt um meine anderen Gäste kümmern. Ach ja, eine letzte Frage: Was ist jetzt mit der Eastern Cloud? «
»Sie wird morgen freigegeben«, antwortete Roger Crosse.
»So oder so?«
Crosse tat schockiert. »Guter Gott, Tai-Pan, wir treiben doch hier keinen Tauschhandel! Haben Sie ihm nicht erklärt, daß wir nur helfen wollen, Brian?«
»Doch, Sir.«
»Freunde sollten einander helfen, nicht war, Tai-Pan?«
»Selbstverständlich. Sicher. Danke.«
Sie sahen ihm nach, bis er sich aus ihren Blicken verlor.
»Also hat er sie, oder hat er sie nicht?« murmelte Brian Kwok.
»Natürlich hat er sie«, gab Crosse gereizt zurück. »Aber wo?« Er überlegte kurz und fügte dann noch gereizter hinzu: »Während Sie mit ihm gesprochen haben,
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