Hongkong 02 - Noble House Hongkong
wahren, mit seinem Vater ein paar Worte gewechselt hatte, antwortete der junge Mann: »Mein Onkel würde es als große Gefälligkeit betrachten, wenn er privat im voraus von jedem Raid, Übernahme von Kontrollen oder Bürgschaften erfahren könnte. Natürlich würde er jede Information dieser Art streng vertraulich behandeln.«
Wu nickte, und nur sein Mund lächelte. »Ja. Gefälligkeit.« Er schüttelte Gornt freundschaftlich die Hand, denn er wußte, daß die Barbaren diesen Brauch schätzten. Er allerdings fand ihn unzivilisiert und abscheulich und unvereinbar mit guten Manieren, aber sein Sohn sollte möglichst rasch ausgebildet werden, und das mußte innerhalb der Zweiten Großen Gesellschaft sein; außerdem brauchte er Gornts Informationen. Und er war sich der Bedeutung und Wichtigkeit einer Vorausbenachrichtigung durchaus bewußt.
»Geh mit ihm an Land, Neffe! Steck ihn in ein Taxi, hol Zweibeil Tok und warte beim Taxistand auf mich.«
Er dankte Gornt noch einmal, folgte ihnen auf das Deck hinauf und sah ihnen nach.
Der Sampan wartete, sie stiegen ein, und das Boot hielt auf die Küste zu.
Es war eine schöne Nacht. Wu schnupperte in den Wind. Er roch Feuchtigkeit. Regen? Sofort studierte er die Sterne und den nächtlichen Himmel. Nur ein Sturm würde Regen bringen. Sturm aber konnte Taifun bedeuten.
Regen könnten wir brauchen, dachte er, aber keinen Taifun. Er fröstelte. Wir sind schon fast im neunten Monat.
Der neunte Monat barg böse Erinnerungen für ihn. Schon neunzehnmal in seinem Leben hatte ihn ein Taifun in diesem Monat heimgesucht, davon siebenmal seit dem Tod seines Vaters im Jahr 1937, als er das Haupt des Hauses der Seefahrenden Wu und Befehlshaber der Flotte geworden war.
Noch im gleichen Jahr kamen Winde mit Geschwindigkeiten von 115 Knoten aus Nordnordwesten gebraust und versenkten eine ganze Flotte von hundert Dschunken in der Mündung des Perlflusses. Über tausend Menschen ertranken – auch sein ältester Sohn mit seiner ganzen Familie. Als er 1949 seine im Perlfluß stationierte Armada angewiesen hatte, aus dem kommunistischen China zu flüchten und sich für immer in Hongkonger Gewässern ansässig zu machen, hatte es ihn auf hoher See erwischt; 90 Dschunken und 300 Sampane sanken. Er und seine Familie wurden gerettet, aber er verlor 817 seiner Leute. Diese Winde kamen aus dem Osten. Vor zehn Jahren hatte der Taifun Susan mit seinen Achtzig-Knoten-Stürmen aus Nordosten, die sich nach Ostsüdost drehten, seine auf Taiwan stationierte Flotte dezimiert. 500 Menschenleben hatte er dort, weitere 200 bis nach Singapur hinunter und noch einen Sohn mit der ganzen Familie gefordert. Im vergangenen Jahr kam der Taifun Wanda und verwüstete Aberdeen und die meisten Haklodörfer an der Küste der New Territories.
Wu war mit den Winden, aber auch mit den Tageszahlen vertraut. Die Winde waren am zweiten, achten, noch einmal am zweiten, achtzehnten, zweiundzwanzigsten, zehnten und der Taifun Wanda am ersten September gekommen. Ja, dachte er, wenn man diese Zahlen zusammenzählt, erhält man dreiundsechzig, und das ist durch die magische Zahl Drei teilbar, das gibt einundzwanzig und abermals drei.
Wird also am dritten Tag des neunten Monats dieses Jahres wieder ein Taifun kommen? Das ist bisher noch nie geschehen, soweit ich mich zurückerinnern kann. Aber wird er in diesem Jahr kommen? Dreiundsechzig ergibt auch neun. Wird er am neunten Tag kommen?
Der alte Mann räusperte sich und spuckte aus. Joss! Ob der dritte oder neunte oder zweite Tag, es ist immer Joss! Das einzig Sichere daran ist, daß der Taifun aus dieser oder jener Richtung und daß er im neunten Monat kommen wird – oder auch in diesem, und das ist genauso schlimm.
Er beobachtete den Sampan, sah jetzt seinen Sohn mittschiffs neben dem Barbaren sitzen, und fragte sich, wie weit er ihm trauen konnte. Der Junge besitzt einen praktischen Verstand und weiß sehr gut, was in den Köpfen der fremden Teufel vorgeht, dachte er, von Stolz erfüllt. Schon wahr, aber wie sehr ist er bereits mit ihren Schwächen behaftet? Keine Bange, ich werde es bald wissen. In der Vergangenheit war das Haus Wu immer mit oder für Noble House, und manchmal auch für sich allein, im Opiumgeschäft tätig gewesen. Opium war früher ein ehrbares Geschäft.
Für manche ist es das immer noch. Für mich, Schmuggler Mo, Weißes Pulver Lee, ja – und was ist jetzt mit ihnen? Sollen wir uns zu einer Bruderschaft zusammentun oder nicht?
Und das weiße
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