Hongkong 02 - Noble House Hongkong
der Tasche. »Und dieses Scheißpapier? Was ist damit?«
»Tausche es in Gold um, verehrter Vater! Der Kurs ändert sich kaum. Ich könnte mit Ishwar Soorjani reden. Er handelt mit Devisen.«
»Und wo soll ich das Gold aufbewahren?« Anderer Leute Gold zu schmuggeln, das war eines; sich über sein eigenes Gold Sorgen zu machen, etwas ganz anderes.
Paul Tschoy erklärte ihm, daß man Gold nicht unbedingt tatsächlich besitzen mußte, um sein Eigentümer zu sein.
»Aber ich vertraue Banken nicht«, entgegnete der alte Mann zornig. »Wenn es mein Gold ist, ist es mein Gold und nicht das einer Bank!«
»Ja, Vater. Aber das wäre eine Schweizer Bank, keine von hier und völlig sicher.«
»Gut.« Der alte Mann nahm eine Feder und indossierte den Scheck, wobei er Soorjani gleichzeitig beauftragte, den Betrag unverzüglich in Gold zu konvertieren. »Hier, mein Sohn, auf deine Verantwortung! Und morgen verdienen wir kein Geld?«
»Es könnte sich die Möglichkeit ergeben, einen Gewinn zu erzielen, aber ich könnte es nicht garantieren. Zu Mittag weiß ich vielleicht mehr.«
»Ruf mich morgen mittag hier an!«
»Ja, Vater. Natürlich, wenn wir unsere eigene Börse hätten, könnten wir hundert Kurse manipulieren …«
»Unsere eigene Börse?«
Vorsichtig begann der junge Mann zu erklären, wie leicht es für sie wäre, ihre eigene Börse zu gründen, eine von Chinesen beherrschte Börse, und welche unbegrenzten Gewinnmöglichkeiten ihre eigene Börse ihnen bieten könnte.
»Wenn das so leicht ist, mein Sohn, warum hat Knauser Tung es noch nicht getan – oder Großmaul Sung – oder Geldsack Ng – oder dieser halbbarbarische Goldschmuggler aus Macao – oder Bankier Kwang oder ein Dutzend andere, heya ?«
»Vielleicht sind sie nie auf die Idee gekommen, oder siehatten nicht den Mut dazu.
Vielleicht arbeiten sie lieber innerhalb des Systems der fremden Teufel. Vielleicht verfügen sie nicht über das nötige Wissen. Wir haben das Wissen, und wir kennen uns aus. Und ich habe einen Freund in den Goldenen Bergen, der mit mir studiert hat …«
»Was für einen Freund?«
»Er ist Schanghaier und ein Drache, wo es um Aktien geht. Jetzt arbeitet er als Makler in New York. Zusammen und mit der nötigen finanziellen Unterstützung könnten wir es schaffen. Ich bin ganz sicher.«
» Ayeeyah! Mit einem Barbaren aus dem Norden?« Vierfinger zog eine geringschätzige Grimasse. »Wie kann man ihm trauen?«
»Ich glaube, du könntest ihm vertrauen, ehrenwerter Vater. Natürlich müßtest du dich vor Unkraut schützen wie jeder gute Gärtner.«
»Aber die ganze finanzielle Macht in Hongkong liegt in den Händen der fremden Teufel. Die kultivierten Menschen in der Kolonie wären nicht imstande, die Grundlage zu schaffen, auf die sich eine Gegenbörse stützen könnte.«
»Du magst recht haben, verehrter Vater«, stimmte Paul Tschoy ihm vorsichtig zu, »aber wir Chinesen sind von Natur aus Spieler. Dennoch ist zur Zeit kein einziger kultivierter Mensch Börsenmakler! Warum sperren uns die fremden Teufel aus? Weil wir sie übertreffen würden. Die Börse ist für uns der schönste Beruf der Welt.
Wenn unsere Leute in Hongkong erst einmal sehen, daß unsere Börse allen kultivierten Personen und ihren Firmen offensteht, werden sie in Scharen zu uns kommen. Vergessen wir doch nicht …« Er deutete auf die Küste, die vielen Hochhäuser, auf die Schiffe, Dschunken und schwimmenden Restaurants, »- das könnte alles dir gehören. Für den modernen Menschen liegt die Macht in Aktien und Kapitalanteilen – und die Börse gehört dazu.«
Wu rauchte mit Muße seine Zigarette. »Wieviel würde deine Börse kosten, Sohn?«
»Ein Jahr Zeit. Ein Anfangskapital von … das weiß ich nicht genau.« Das Herz schlug dem jungen Mann bis zum Hals. So tiefgreifend und folgenschwer erschien ihm die Gründung einer chinesischen Börse in dieser ungeregelten kapitalistischen Gesellschaft, daß ihn eine Schwäche befiel. »In einer Woche könnte ich dir einen Voranschlag geben.«
Vierfingers pfiffige alte Augen ruhten auf seinem Sohn, und der spürte seine Erregung und seine Gier. Gier nach Geld oder Gier nach Macht? fragte er sich.
Nach beidem, entschied er. Der Dummkopf weiß noch nicht, daß es ein und dasselbe ist. Er dachte an die Macht von Philip Tschen und die Macht von Noble House und die Macht der halben Münze, die John Tschen gestohlen hatte. Auch Philip Tschen und seine Frau sind Dummköpfe. Sie sollten daran denken,
Weitere Kostenlose Bücher