Hongkong 02 - Noble House Hongkong
abgekauft. Das Geld hatte Peter Marlowe auf die folgenden fünf Jahre verteilt. Fünf Annuitäten, auszahlbar jeweils im Januar, das genügte bei einigem Maßhalten für Schule und Arzt, Hypothek, Auto und andere Zahlungen – fünf herrliche sorgenfreie Jahre. Und die Möglichkeit, ein Jahr in Hongkong zu leben und ein zweites Buch zu schreiben. »Wenn ich nicht darauf bestanden hätte, zu diesem Empfang zu gehen, wäre uns das nie passiert.«
»Joss.« Sie lächelte leise. »Joss, Peter.«
4
10.01 Uhr:
Orlanda Ramos öffnete die Tür zu ihrem Appartement und stellte den nassen Schirm in den Ständer. »Kommen Sie herein, Linc«, sagte sie strahlend. » Minha casa é vossa casa. Mein Haus ist Ihr Haus.«
Linc lächelte. »Sind Sie sicher?«
»Wir werden ja sehen«, antwortete sie und lachte. »Es ist ein alter portugiesischer Brauch … sein Haus anzubieten.« Sie entledigte sich ihres leuchtenden, sehr modernen Regenmantels. Er tat in der Diele das gleiche mit einem durch und durch nassen, abgetragenen Mantel.
»Geben Sie her, ich hänge ihn auf«, sagte sie. »Es macht nichts, wenn es tropft; die amah wird es aufwischen.«
Das Wohnzimmer war von schlichter Eleganz und sehr weiblich. Er ging zu der Glastür, die auf einen kleinen Balkon hinausging. Ihre Wohnung war im achten Stock des Rose Court in der Kotewall Road.
»Ist der Regen hier immer so stark?« fragte er.
»Bei einem Taifun ist er noch viel stärker. Vielleicht zwölf bis achtzehn Zoll an einem Tag. Dann gibt es Erdrutsche, und es geht viel Umsiedlungsland verloren.«
Die Aussicht war zum großen Teil durch Hochhäuser versperrt, Reihenbauten längs der sich emporwindenden Straße, die man in den Berghang geschlagen hatte. Da und dort konnte Bartlett einen kurzen Blick auf die Küste und den Central District erhaschen. »Ich komme mir vor wie in einem Flugzeug, Orlanda. In einer lauen Nacht muß es herrlich sein hier oben.«
»Ja, das ist es. Man kann ganz Kowloon sehen. Bevor Sinclair Towers gebaut wurde – das ist der Block unmittelbar vor uns – hatten wir hier die schönste Aussicht von ganz Hongkong. Sinclair Towers gehört Struan’s, wußten Sie das? Ich glaube, Ian Dunross förderte den Bau, um Quillan eins auszuwischen. Quillan hatte das Penthouse oben.«
»Es hat ihm den Ausblick versperrt?«
»Und wie! Aber beide Komplexe sind enorm rentabel. Quillan hat mir erzählt, daß sich hier in Hongkong alles in drei Jahren amortisiert. Alles. Immobilien muß man haben. Sie könnten verdienen …« Sie lachte. »Wenn Sie wollten, könnten Sie Ihr Vermögen beträchtlich vermehren.«
»Wenn ich in Hongkong bliebe, wo sollte ich wohnen?«
»Hier in den Mid Levels. Weiter oben am Peak ist es immer sehr feucht, die Mauern schwitzen, und alles schimmelt.«
»Wie lange wohnen Sie schon hier?« fragte er.
»Bald sechs Jahre. Ich war einer der ersten Mieter.«
Er drehte sich um und lehnte sich gegen das Fenster. »Phantastisch«, sagte er. »So wie Sie.«
»Vielen Dank auch. Wir wär's mit einem Kaffee?«
»Bitte.« Linc Bartlett fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, während er ein Ölbild betrachtete. »Ist das ein Quance?«
»Ja. Ein Geschenk von Quillan. Espresso?«
»Ja, bitte. Ich wollte, ich verstünde mehr von Bildern …« Casey versteht etwas davon, war er nahe daran hinzuzufügen, aber er verstummte und sah zu, wie sie eine der Türen öffnete. Die Küche war groß, modern und komplett ausgestattet. »Das ist ja eine Küche wie aus House and Garden .«
»Das war alles Quillans Idee. Er liebt gutes Essen, und er kocht gern. Das hat er alles geplant. Den Rest … für den Rest zeichne ich verantwortlich.«
»Tut es Ihnen leid, daß Sie mit ihm gebrochen haben?«
»Ja und nein. Es war Joss. Die Zeit war abgelaufen.« Ihr Gleichmut rührte ihn. »Es hätte nicht dauern können. Niemals. Nicht hier in Hongkong.« Ein Schatten von Betrübnis glitt über ihre Züge, aber sie wischte ihn fort und beschäftigte sich mit der blitzenden Espressomaschine. »Quillan hält ungemein viel von Sauberkeit und Ordnung. Gott sei Dank hat es auf mich abgefärbt. Ah Fat, meine amah, macht mich wahnsinnig.«
»Wohnt sie hier?«
»Ja, natürlich, aber jetzt ist sie einkaufen gegangen. Ihr Zimmer ist am Ende des Ganges. Schauen Sie sich ein bißchen um, wenn Sie wollen! Ich bin gleich soweit.«
Voller Neugierde schlenderte er durch die Wohnung. Ein schönes Eßzimmer mit einem großen runden Tisch. Ihr Schlafzimmer war in Weiß und
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