Hongkong 02 - Noble House Hongkong
daraus machte, wie sehr er Dunross’ und Johnjohns Sprachlosigkeit genoß, »wir haben jedes Recht, Nachforschungen anzustellen. Schließlich sind wir die Bank von Struan’s und müssen Bescheid wissen. Auch unsere Ansprüche sind gefährdet, wenn Sie in Konkurs gehen.«
»Und Sie werden das Ihre dazu tun, um das geschehen zu lassen?«
Mit großem Ergötzen drückte Havergill seine Zigarette aus. »Es liegt nicht in unserem Interesse, daß ein Großkonzern in der Kolonie Pleite macht. Geschweige denn Noble House. Nein doch! Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Zum richtigen Zeitpunkt greifen wir ein und kaufen Ihre Aktien auf.«
»Und wann ist der richtige Zeitpunkt?«
»Wenn der Kurs einen Wert erreicht hat, der uns angemessen erscheint.«
Dunross wußte, daß er geschlagen war, aber er ließ es sich nicht anmerken. »Sie werden also den Kurs sinken lassen, bis Sie die Aktien – und damit die Mehrheit – praktisch geschenkt bekommen.«
»Struan’s ist eine Aktiengesellschaft«, erinnerte ihn Havergill. »Vielleicht wäre es klüger gewesen, Alastairs und meinem Rat zu folgen – wir haben auf die Risiken hingewiesen, die Sie als Aktiengesellschaft eingehen. Und vielleicht hätten Sie uns um Rat fragen sollen, bevor Sie dieses riesige Aktienpaket kauften. Gornt ist offenbar überzeugt, daß er Sie in der Zange hat, und Sie haben sich wirklich ein bißchen übernommen, alter Knabe.«
Dunross lachte. Er stand auf. »Die Kolonie wird ein lebenswerterer Ort sein, wenn Sie erst mal draußen sind.«
»Ach ja?« fuhr Havergill ihn an. »Meine Amtszeit läuft am 23. November ab. Vielleicht haben Sie die Kolonie dann schon vor mir verlassen!«
»Meinen Sie nicht …« setzte Johnjohn an, kam aber nicht weit.
»Ihre Amtszeit«, geiferte Havergill, »beginnt am 24. November. Sofern die Generalversammlung Ihre Ernennung bestätigt. Bis dahin bestimme ich in der Victoria.«
Wieder lachte Dunross. »Seien Sie dessen nicht so sicher«, sagte er und verließ den Raum.
Ärgerlich brach Johnjohn das Schweigen. »Sie hätten ohne weiteres eine außerordentliche Sitzung einberufen können!«
»Die Debatte ist beendet! Haben Sie verstanden? Beendet!« Wütend zündete sich Havergill eine neue Zigarette an. »Ich wäre sehr überrascht, wenn es diesem Bastard gelänge, sich auch diesmal aus der Bredouille herauszuwinden. Wir wissen nichts von diesem verdammten Amerikaner und seiner Freundin. Um so besser weiß ich, daß Dunross ein widerspenstiger, arroganter Kerl ist, der den Boden unter den Füßen verloren hat. Er ist der falsche Mann für diesen Posten.«
»Das ist nicht …«
»Wir sind ein auf Gewinn ausgerichtetes Institut, kein Wohltätigkeitsverein. Und die Dunross’ und Struans maßen sich schon zu lange ein Mitspracherecht bei unseren Angelegenheiten an. Wenn es uns gelingt, die Kontrolle zu übernehmen, werden wir das Noble House of Asia. Jawohl! Dann feuern wir alle Direktoren und setzen eine neue Geschäftsleitung ein; wir verdoppeln unser Geld, und ich hinterlasse der Bank ein bleibendes Vermächtnis. Ich habe in Ihrem Freund Dunross immer schon einen Risikopatienten gesehen, und jetzt bleibt ihm nur noch der Konkurs. Wenn es so weit ist, daß ihm die Schlinge um den Hals gelegt wird, helfe ich gerne mit!«
Mit Hilfe seiner altmodischen goldenen Taschenuhr maß der Arzt Fleur Marlowe den Puls. Hundertfünfundzwanzig. Zu schnell, dachte er traurig. Er legte ihr zartes Handgelenk auf die Bettdecke zurück. Peter Marlowe kam aus dem kleinen Waschraum ihres Appartements.
»Nicht sehr erfolgreich, was?« fragte Tooley mit rauher Stimme.
Ein trübes Lächeln spielte um Peter Marlowes Lippen. »Ziemlich mühsam. Nur Krämpfe, und außer ein wenig Flüssigkeit kommt nicht viel raus.« Seine Augen ruhten auf seiner Frau, die bleich und matt in dem schmalen Doppelbett lag. »Wie geht es dir, Schatz?«
»Gut, Peter, danke.«
Der Arzt steckte sein Stethoskop ein und griff nach seiner altmodischen Tasche.
»War der … war der Stuhl blutig, Mr. Marlowe?«
Peter Marlowe schüttelte müde den Kopf. Weder er noch seine Frau hatten viel geschlafen. Gegen vier Uhr früh hatten die Krämpfe begonnen und seitdem an Stärke zugenommen. »Nein, oder besser gesagt, noch nicht. Nach dem, was ich spüre, könnte es eine ganz gewöhnliche Ruhr sein.«
»Ganz gewöhnliche? Hatten Sie schon einmal Dysenterie? Wann? Und welche Art?«
»Eine enterische, glaube ich. Ich saß 1945 als Kriegsgefangener in
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