Hongkong 02 - Noble House Hongkong
gemeinsamer Grenze. Ein zweiter ist das nationale Schuldgefühl angesichts der riesigen Gebiete ursprünglich chinesischer Territorien, die Rußland sich in all den Jahrhunderten mit Gewalt einverleibt hat; und ein dritter ist das Wissen um die Tatsache, daß die Chinesen ein geduldiges Volk mit einem langen Gedächtnis sind. Sie haben sich ihr Land schon immer wiedergeholt, wenn sie militärisch dazu imstande waren. Ich habe schon zu wiederholten Malen darauf hingewiesen, daß es der Eckpfeiler der sowjetischen (imperialistischen) Politik ist, China zu isolieren und zu spalten, um es schwach zu erhalten. Ihr großes Schreckgespenst ist eine Tripleallianz zwischen China, Japan und den USA.
Auch Ihr Noble House sollte auf dieses Ziel hinarbeiten.
Und nun noch einmal zu Sevrin: Ich bin ein größeres Risiko eingegangen und habe unseren wertvollsten Helfer in der ultrageheimen Abteilung 5 des KGB angesprochen. Ich habe soeben erfahren, daß die Identität von Arthur, Sevrins Führungsoffizier, in Klasse 1 eingestuft und somit nicht einmal ihm zugänglich ist. Die einzigen Hinweise, die er mir geben konnte, sind: Der Mann ist Engländer und R eine seiner Initialen. Damit werden Sie wohl nicht viel anfangen können.
Ich freue mich schon darauf, Sie wiederzusehen. Und vergessen Sie nicht: Meine Berichte dürfen nie in eines anderen Menschen Hände gelangen! Herzlich, AMG.«
Dunross prägte sich die Genfer Telefonnummer ein, schrieb sie verschlüsselt in sein Adressenbüchlein und zündete ein Streichholz an. Dann sah er zu, wie das Flugpostpapier zu Asche verbrannte.
R. Robert, Ralph, Richard, Robin, Rod, Roy, Rex, Rupert, Red, Rodney, und immer wieder Roger. Und Robert. Robert Armstrong oder Roger Crosse oder – oder wer? Er nahm den Hörer seines Privatapparats ab. »Fernamt? Bitte Genf 871-65-65.« Müdigkeit drohte ihn zu überwältigen. Er hatte schlecht geschlafen und vom Krieg geträumt. Fröstelnd war er erwacht, Penn an seiner Seite in tiefem Schlaf. Dann zum Rennplatz, den ganzen Tag unterwegs, während seine Feinde ihn einkreisten, und nichts als schlechte Nachrichten. Der arme John Tschen, dachte er. Vielleicht kann ich mich zwischen fünf und sechs für eine Stunde aufs Ohr legen. Heute abend muß ich meine fünf Sinne beisammen haben.
»Ja«, meldete sich eine sanfte Stimme.
»Hier spricht Dunross in Hongkong. Ich möchte mit Frau Gresserhoff sprechen«, sagte er auf Deutsch.
»Oh!« Es folgte eine längere Pause. »Ich bin Frau Gresserhoff. Tai-Pan?«
» Ah so desu! Ohayo gozaimasu. Anata wa Anjin Rikosan? « fragte er mit ausgezeichnetem japanischen Akzent. Guten Morgen. Heißen Sie auch Riko Anjin?
» Hai, dozo . Ah, nihongo wa jotzu desu. « Ja. Sie sprechen sehr gut Japanisch.
» Iye, sukoshi, gomen nasai. « Nein, tut mir leid, nur ein wenig. – Als Teil seiner Ausbildung hatte er zwei Jahre im Tokioter Büro des Konzerns verbracht. »Tut mir so leid«, fuhr er auf Japanisch fort, »aber ich rufe wegen Mr. Gresserhoff an. Haben Sie es schon erfahren?«
»Ja.« Er hörte die Trauer in ihrer Stimme.
»Ich habe eben einen Brief von ihm erhalten. Er schrieb, Sie hätten einige Dinge für mich?« fragte er vorsichtig.
»Ja, Tai-Pan, die habe ich.«
»Wäre es Ihnen möglich, sie mir zu bringen? Tut mir so leid, aber ich kann nicht zu Ihnen kommen.«
»Ja, ja, natürlich«, antwortete sie zögernd. »Wann sollte ich reisen?«
»Sobald wie möglich. Wenn Sie in ein paar Stunden, sagen wir zu Mittag, in unser Büro in der Avenue Bern gehen, werden dort Ihre Tickets und Geld für Sie bereit liegen. Ich glaube, die Swissair hat einen Flug für heute nachmittag – wenn Ihnen das möglich wäre?«
Wieder zögerte sie. Er wartete geduldig. »Ja«, antwortete sie schließlich. »Das wäre möglich.«
»Ich leite alles in die Wege. Möchten Sie, daß jemand Sie begleitet?«
»Nein, danke«, antwortete sie mit so leiser Stimme, daß er eine Hand an das andere Ohr legen mußte, um besser zu hören. »Verzeihen Sie, daß ich Ihnen so viele Ungelegenheiten mache.«
»Das sind doch keine Ungelegenheiten«, protestierte er. »Gehen Sie bitte mittags in mein Büro … Ach ja, und verzeihen Sie meine Frage: Haben Sie einen Schweizer oder einen japanischen Paß, und unter welchem Namen wollen Sie reisen?«
Eine noch längere Pause. »Ich würde … ich denke, ich sollte … mit einem Schweizer Paß und unter dem Namen Riko Gresserhoff reisen.«
»Vielen Dank, Mrs. Gresserhoff. Ich freue mich
Weitere Kostenlose Bücher