Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Brief noch meine bisherigen Berichte aus der Hand und einer anderen Person geben – wer immer diese Person auch sein mag.
Was zunächst Kirk angeht: In etwa zehn Jahren werden die arabischen Staaten, denke ich, ihre Streitigkeiten untereinander begraben und die Macht, die sie besitzen, nicht unmittelbar gegen Israel, sondern gegen den Westen einsetzen – und uns in ein unerträgliches Dilemma stürzen: Lassen wir Israel im Stich … oder geben wir uns selbst auf? Sie werden ihr Öl als Kriegswaffe benutzen. Wenn es je dazu kommt, daß sie sich zusammentun, werden eine Handvoll Scheichs und feudale Könige in der Lage sein, nach Belieben die Zufuhr des einen Rohstoffes zu sperren, der für Japan und den Westen unentbehrlich ist. Sie verfügen sogar über eine noch differenziertere Möglichkeit: Sie besteht darin, die Preise in einem noch nie dagewesenen Maß zu erhöhen und uns durch unsere Wirtschaft zu erpressen.
Das Erdöl ist Arabiens entscheidende, unschlagbare Waffe. Unschlagbar, solange wir von ihrem Öl abhängig sind. Daher mein Interesse an Kirks Theorie.
Ein Barrel Öl an die Oberfläche der arabischen Wüste zu fördern kostet etwa acht Cents. Es würde sieben Dollar kosten, ein Barrel an Land, nach Schottland zu bringen. Sollte das arabische Öl auf dem Weltmarkt von den gegenwärtigen drei Dollar das Barrel auf, sagen wir, neun Dollar steigen … In diesem Augenblick wird das Nordseeöl sofort zu einem nationalen Schatz Großbritanniens.
Jamie behauptet, die Lagerstätten befänden sich im Norden und Osten Schottlands.
Der Hafen von Aberdeen würde sich als möglicher Umschlagplatz für Öl anbieten. Ein voraussehender Mann würde sich daher beizeiten für Liegenschaften, Kaianlagen, Flugplätze etc. interessieren. Machen Sie sich keine Sorgen wegen des Schlechtwetters, Hubschrauber werden die Bindeglieder zwischen Bohrinseln und dem Festland sein. Ein kostspieliger Weg, gewiß, aber ein durchaus gangbarer. Und wenn Sie meine Vorhersage gelten lassen, daß Labour wegen des Profumo-Skandals die nächsten Wahlen gewinnen wird …«
Die Zeitungen waren voll davon gewesen. Vor fünf Monaten, im März, hatte der Kriegsminister John Dennis Profumo im Parlament offiziell geleugnet, jemals eine Affäre mit einem bekannten Callgirl gehabt zu haben – Christine Keeler, eines von mehreren Mädchen, die mit einemmal im internationalen Scheinwerferlicht standen – zusammen mit ihrem Kuppler, Stephen Ward, einem bis zu diesem Zeitpunkt prominenten Londoner Kunsthändler. Unbewiesene Gerüchte breiteten sich aus, wonach das Mädchen auch eine Affäre mit Jewgeni Iwanow, einem sowjetischen Attaché und KGB-Agenten, gehabt hätte, der schon im Dezember des Vorjahres abberufen worden war.
»Es ist doch merkwürdig, daß die Presse zu einem für die Sowjets besonders opportunen Zeitpunkt von der Affäre Wind bekam. Ich habe noch keine Beweise, aber meiner Meinung nach war das kein zufälliges Zusammentreffen. Halten Sie sich vor Augen, daß die Sowjets das Ziel verfolgen, Länder zu spalten – Nord- und Süd-Korea, Ost- und West-Deutschland und so weiter – und ihren indoktrinierten Gefolgsleuten dann die Schmutzarbeit überlassen. Darum glaube ich, daß die sowjetfreundlichen Sozialisten mithelfen werden, Großbritannien in England, Schottland, Wales und Süd- und Nordirland aufzuspalten.
Und nun zu meinem wirtschaftspolitischen Notstandsplan für Noble House! Leitsatz: England mit Vorsicht genießen und sich auf Schottland als Operationsbasis einstellen. Das Nordseeöl könnte Schottland weitgehend autark machen. Als staatliches Gebilde wäre Schottland dann zweckmäßig und durchaus vertretbar. Und vielleicht könnte ein starkes Schottland sein Gewicht in die Waagschale werfen, um einem wankenden England – unserem armen England – zu helfen.
Vielleicht ist das alles auch nur eine von meinen an den Haaren herbeigezogenen Theorien. Trotzdem: Betrachten Sie Schottland, Aberdeen, im Lichte einer neuen, noch unbekannten Nordsee!«
»Lächerlich!« platzte Dunross heraus und unterbrach kurz seine Lektüre. Er überlegte. Sei nicht voreilig! ermahnte er sich. AMGs Ideen sind manchmal weit hergeholt, er neigt zu Übertreibungen, er ist ein fanatischer Imperialist und sieht fünfzehn Rote unter jedem Bett. Aber was er da postuliert, könnte möglich sein. Wenn es zu einer weltweiten Ölknappheit käme und wir darauf vorbereitet wären, könnten wir ein Vermögen verdienen. Es wäre so leicht, sich
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