Hongkong 02 - Noble House Hongkong
schon sehr, Sie zu sehen. Kiyoskette! « Gute Reise!
Nachdenklich legte er den Hörer in die Gabel zurück. AMGs Brief wurde zu Asche.
Sorgfältig zerrieb er den Rest.
8
17.45 Uhr:
Jacques deVille stapfte über die Marmortreppe des Mandarin-Hotels ins Mezzanin hinauf; es war zum Bersten mit Menschen gefüllt, die hier einen späten Tee tranken.
Er nahm seinen Regenmantel ab und ging zwischen den Tischen durch. Er kam sich sehr alt vor. Eben hatte er mit seiner Frau Susanne in Nizza gesprochen. Nun hatte auch ein Spezialist aus Paris Avril untersucht und gemeint, ihre inneren Verletzungen könnten weniger schwer sein, als man bisher geglaubt hatte.
»Er meint, wir müssen Geduld haben«, hatte Susanne ihm in ihrem übersprudelnden Pariser Französisch mitgeteilt. »Aber wie können wir das? Das arme Kind ist nahe daran, den Verstand zu verlieren. › Ich habe am Steuer gesessen‹, jammert sie immer wieder, ›ich, Mutti, und ich bin schuld an Borges Tod …‹ Ich habe Angst um sie, chéri!« Dann hatte Susanne zu weinen begonnen.
In seiner Seelennot hatte er sie, so gut er konnte, beruhigt und dann versprochen, sie in einer Stunde noch einmal anzurufen. Eine Weile hatte er überlegt, dann einige Anordnungen gegeben und das Büro verlassen; anschließend war er hierher gekommen.
Die Telefonzelle neben dem Buchladen war besetzt. Er kaufte sich eine Nachmittagszeitung und ließ den Blick über die Schlagzeilen gleiten. Erdrutsch oberhalb von Aberdeen: zwanzig Tote … Es regnet weiter … Wird das große Rennen von Sonnabend abgesagt? … JFK fordert Sowjets auf, sich in Vietnam nicht einzumischen … Malaysische Kommunisten gehen zur Offensive über … Kennedys zweiter Sohn: Frühgeburt, tot … Profumo-Skandal schadet Konservativen …
»Verzeihen Sie, Sir, warten Sie auf das Telefon?« fragte ihn eine Amerikanerin, die hinter ihm stand.
»Ach ja, danke, entschuldigen Sie, ich habe nicht gesehen, daß die Zelle leer ist.« Er ging hinein, schloß die Tür, warf eine Münze ein und wählte. Er hörte das Signal.
»Ja?«
»Mr. Lop-sing, bitte«, antwortete er. Er war sich der Stimme noch nicht sicher.
»Hier gibt es keinen Mr. Lop-fing. Tut mir leid, Sie haben sich verwählt.«
»Ich möchte eine Nachricht hinterlassen«, sagte er erleichtert, als er Suslews Stimme erkannte.
»Sie haben eine falsche Nummer. Schauen Sie im Telefonbuch nach!«
Sobald das Tarngespräch korrekt zu Ende geführt war, begann er: »Tut mir leid, dich …«
»Von wo sprichst du?« wurde er barsch unterbrochen Jacques gab ihm die Nummer.
»Ist es eine Telefonzelle?«
»Ja.« Gleich darauf wurde die Verbindung unterbrochen. Als er den Hörer einhängte, spürte er plötzlich Schweiß an seinen Händen. Suslews Nummer sollte nur in Notsituationen gebraucht werden, aber das war eine Notsituation. Er starrte den Apparat an.
»Verzeihen Sie, Sir«, rief die Amerikanerin durch die Glastür. »Könnte ich jetzt telefonieren?«
»Oh! Ich … ich bin gleich fertig«, antwortete Jacques nervös. Er sah, daß jetzt drei Chinesen ungeduldig hinter ihr warteten. Schweiß auf dem Rücken, schloß er wieder die Tür. Er wartete und wartete, und endlich läutete das Telefon.
»Hallo?«
»Wo brennt’s?«
»Ich … ich habe eben mit Nizza gesprochen.« Vorsichtig, und ohne Namen zu nennen, erzählte Jacques Suslew von dem Gespräch mit seiner Frau. »Ich fliege noch heute abend.«
»Nein, heute abend ist zu früh. Buche für morgen abend!«
»Aber ich habe vor einigen Minuten mit dem Tai-Pan gesprochen, und er hat nichts dagegen. Ich habe schon gebucht. In drei Tagen bin ich wieder da. Sie war wirklich ganz verzweifelt am Telefon. Meinst du nicht, ich …«
»Nein!« entgegnete Suslew scharf. »Ich rufe dich heute abend an wie ausgemacht. Das hätte alles noch warten können. Ruf mich nicht wieder unter dieser Nummer an, wenn es nicht wirklich dringend ist!«
Schon hatte Jacques den Mund geöffnet, um hitzig zu antworten, aber die Leitung war bereits tot. Er hatte den Zorn gehört. Aber das ist eine echte Notsituation, sagte er sich wütend. Und der Tai-Pan war auch dafür. Merde, was soll ich tun? Suslew ist nicht mein Gefangenenwärter! Oder doch?
Den Rücken naß von Schweiß, nahm deVille den Finger von der Wahlscheibe und hängte auf.
»Sind Sie fertig, Sir?« fragte die Amerikanerin mit ihrem angeklebten Lächeln. Sie war Mitte Fünfzig, und ihr Haar war blau, wie es die Mode verlangte.
»O ja …
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