Hongkong 02 - Noble House Hongkong
lachte. »Auf diesem Schiff kann man das.«
»Jawohl«, schnarrte Vierfinger, »auf diesem Schiff kann man ein Geheimnis für immer bewahren.« Er räusperte sich. »Möchtest du wissen, was in diesen Ballen ist?«
»Nein.«
»Opium. Sobald wir es an der Küste ausgeladen haben, wird es mir allein einen Profit von 200.000 Dollar bringen, und dazu reichliche Sondervergütungen für die Mannschaft.«
»Der Profit ist das Risiko nicht wert, mir nicht ! Ich habe dir …« Er unterbrach sich.
Vierfinger sah ihn an. Er überließ Poon das Steuer und ging nach achtern zu den gepolsterten Sitzen, die das Heck säumten. »Komm her, Profitmacher Tschoy«, befahl er.
Ängstlich setzte sich Paul Tschoy neben ihn.
»Profit ist Profit«, sagte Wu sehr zornig, »und auf dich kommen 10.000. Das reicht für ein Flugticket nach Honolulu und zurück nach Hongkong und zehn Tage Urlaub zu zweit.« Er sah die Augen seines Sohnes freudig aufleuchten und lächelte.
»Ich werde nicht mehr zurückkommen«, sagte Paul Tschoy tapfer. »Niemals.«
»O doch. Jetzt wirst du. Du hast in verdammt gefährlichen Wassern gefischt.«
»Ich komme nicht mehr zurück. Ich habe einen amerikanischen Paß und …«
»Und eine japanische Hure, heya ?«
Entgeistert starrte Paul Tschoy seinen Vater an. Woher wußte er …? Dann sprang er auf und ballte die Fäuste. »Bei allen Göttern, sie ist eine Dame, und ihre Fam…«
»Sei still!« Wu verbiß sich eine Verwünschung. »Also schön, sie ist keine Hure, obwohl für mich alle Frauen Huren sind. Sie ist keine Hure, sondern eine Kaiserin. Aber sie ist immer noch eine Teufelin von der östlichen See, eine von denen, die China ausgeraubt haben.«
»Sie ist Amerikanerin, so wie ich Amerikaner bin«, brauste Paul Tschoy auf. Ohne es sich anmerken zu lassen, machten sich Gutwetter Poon und der Rudergänger bereit einzugreifen. Ein Messer glitt in Poons Faust. »Ich bin Amerikaner, sie ist Amerikanerin, und ihr Vater war im Krieg in Italien.«
»Du bist einer der Seefahrenden Wu, und du wirst mir gehorchen. O ja, Profitmacher Tschoy, das wirst du! Heya ? Du wagst es, mit geballten Fäusten vor mir zu stehen, vor mir, der ich dir das Leben gegeben habe, jede Chance, sogar diese Chance, diese … diese Kaiserin aus dem Osten kennenzulernen? Heya ?«
Wie von einem Sturmwind fühlte Paul Tschoy sich herumgewirbelt. Poon sah zu ihm auf. »Das ist der Kapitän der Flotten! Du wirst ihn achten!« Die eiserne Hand des Seemanns schob ihn auf seinen Platz zurück. »Der Kapitän hat gesagt, du sollst dich setzen. Setz dich!«
Nach einer kleinen Weile fragte Paul Tschoy mürrisch: »Wie hast du von ihr erfahren?«
»Ich rufe alle Götter zu Zeugen an«, sprudelte der alte Mann zornig heraus. »Was habe ich da für einen Menschen gezeugt, einen Affen mit dem Hirn eines Bauernlümmels? Glaubst du vielleicht, ich habe dich nicht überwachen lassen? Schicke ich einen Maulwurf unbeschirmt unter Schlangen? Glaubst du, wir haben nicht genug Feinde, die dir bedenkenlos deinen Pfeifensack aufschlitzen und mir den Inhalt schicken würden – nur um mir eins auszuwischen? Heya ?«
»Das weiß ich nicht.«
»Jetzt weißt du es, und merke es dir, mein Sohn!« Vierfinger Wu wußte, daß er jetzt weise handeln mußte, so weise, wie ein Vater sein mußte, wenn sein Sohn ihn auffordert, sich zu deklarieren. Ich kann dem Tai-Pan dankbar sein, daß er mich über das Mädchen und ihre Familie informiert hat. Das ist der Schlüssel zu diesem unverschämten Kind meiner Dritten Frau. Vielleicht erlaube ich ihm, diese Hure herzubringen. Nächsten Monat! Wenn ihre Eltern sie allein fahren lassen, beweist das nur, daß sie eine Hure ist. Erlauben sie das nicht, ist sowieso Schluß mit ihr. Inzwischen werde ich hier eine Frau für ihn suchen. Jawohl. Wer käme da in Frage? Eine von Knausers Enkelinnen? Oder Lando Matas … Ach ja! Wurde dieses Halbblut nicht auch in den Goldenen Bergen erzogen, in einer Mädchenschule, einer berühmten Mädchenschule?
Ich habe viele Söhne, dachte er, und empfand nichts für ihn. Ich habe sie gezeugt, und sie haben mir gegenüber Pflichten zu erfüllen – und der Familie gegenüber, wenn ich tot bin. Vielleicht wäre ein braves, breithüftiges Haklomädchen mit harten Sohlen das Richtige für ihn. »In einem Monat wird Schwarzbart dir Urlaub geben«, sagte er abschließend. »Ich werde mich drum kümmern. Mit deinen 10.000 kannst du dir ein Flugticket kaufen … Nein! Besser noch, du bringst
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