Hongkong 02 - Noble House Hongkong
sie her«, fügte er hinzu, als ob es ihm eben eingefallen wäre. »Ja, du bringst sie her. Du sollst Manila und Singapur und Bangkok besuchen und dort unsere Kapitäne kennenlernen. Ja, nächsten Monat bringst du sie her. Deine 10.000 reichen für all …«
»Nein, das werde ich nicht tun. Und ich will auch kein Geld, das mit Drogen verdient wurde. Ich kann dir nur raten, aus dem Drogengeschäft auszu…«
Plötzlich war die ganze Dschunke in helles Scheinwerferlicht getaucht. Einen Augenblick lang waren alle geblendet. Das Licht kam von der Steuerbordseite.
»Drehen Sie bei!« kam der Befehl über das Hochleistungsmegaphon, zuerst in Englisch, dann in Haklo und schließlich in Kantonesisch.
Wu und Gutwetter Poon reagierten als erste. Wu riß die Ruderpinne hart nach Backbord herum, weg vom Polizeiboot, und befahl: »Volle Kraft voraus!« Poon war auf das Hauptdeck gesprungen und zerschnitt jetzt die Frachtleine. Die Blasenspur verschwand, und die Ballen versanken in der Tiefe.
Wie gelähmt vor Schreck sah Paul Tschoy seinen Vater in eine Seemannskiste in seiner Nähe greifen und ein paar zerknüllte VRC-Soldatenmützen herausholen und sich selbst eine aufstülpen. »Schnell!« rief er und warf ihm eine zu. Er gehorchte automatisch und setzte sie sich auf. Wie durch ein Wunder hatte jetzt schon die ganze Mannschaft solche Mützen auf, und einige zogen sich ebenso sandfarbene und zerknüllte Uniformblusen über.
Ihm stockte das Herz. Einige Männer griffen in Seemannskisten und holten Gewehre und Maschinenpistolen aus VRC-Heeresbeständen heraus, während andere sich auf der Seite postierten, die dem Polizeiboot am nächsten war, und nun anfingen, Beschimpfungen hinüberzurufen. Das Boot, grau gestrichen und schlank, hatte eine Bordkanone. Es hielt leicht mit ihnen Schritt. Sie konnten die Matrosen in ihren weißen Uniformen, und, auf der Brücke, die spitz zulaufenden englischen Offiziersmützen sehen.
Auch Vierfinger hatte jetzt ein Megaphon in der Hand. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen, trat er an die Reling. »Laßt uns in Ruhe, Barbaren!« brüllte er. »Seht ihr unsere Flagge nicht?« Er deutete auf die Flagge der Volksrepublik China am Masttopp.
»Ihr belästigt ein friedliches Küstenwachboot. Ihr befindet euch in unseren Gewässern!«
Ein feindseliges Grinsen breitete sich über Poons Gesicht. Eine Maschinenpistole in der Hand, stand er, sich im Scheinwerferlicht als Silhouette abzeichnend, am Schanzkleid, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, um es den Polizisten unmöglich zu machen, ihn mit ihren Feldstechern zu identifizieren. Sein Puls raste, und im Mund hatte er einen gallig-bitteren Geschmack. Sie befanden sich in internationalen Gewässern. Er spannte die Pistole. Die Befehle waren klar gewesen. Heute nachtwürde niemand das Schiff entern.
»Drehen Sie bei! Wir kommen an Bord!«
Das Polizeiboot verlangsamte seine Fahrt, ein Beiboot platschte ins Wasser, und viele an Bord verloren ihre ursprüngliche Zuversicht. Vierfinger verwünschte sich, weil er das Polizeiboot nicht gesehen hatte, aber er wußte, daß sie elektrische Geräte besaßen, die in der Dunkelheit sehen konnten, während er sich auf Augen und Nase und jenen sechsten Sinn verlassen mußte, der bisher ihn und den Großteil seiner Leute am Leben erhalten hatte.
»Leck uns doch am Arsch! Kein fremder Teufel betritt ein Patrouillenboot der Volksrepublik China!« Die Mannschaft brüllte begeistert mit.
»Drehen Sie bei!«
Der Alte achtete nicht darauf. Mit Höchstgeschwindigkeit hielt er auf das Delta des Perlflusses zu, und er und alle an Bord beteten zu ihren Göttern, daß keine Patrouillenboote der VRC in der Nähe kreuzten. Im Scheinwerferlicht sahen sie das Beiboot mit zehn bewaffneten Matrosen auf Abfangkurs, aber es war nicht schnell genug, um sie einzuholen.
»Zum letzten Mal, drehen Sie bei!«
»Zum letzten Mal: Hört auf, ein friedliches Küstenwachboot der Volksrepublik China zu belästigen!«
Plötzlich heulten die Sirenen des Polizeibootes auf, und die gewaltige Schubkraft seiner Maschinen ließ es vorwärtsspringen. Die Scheinwerfer blieben auf sie gerichtet, während es voranschoß und sich vor den Bug der Dschunke setzte.
Immer noch starrte Paul Tschoy auf das große Fahrzeug mit seiner Bordkanone und seinen Maschinengewehren. Deutlich sah er die Offiziere auf der Brücke.
»Zieh den Kopf ein«, rief Wu seinem Sohn zu, der ihm sofort gehorchte. Dann lief Wu zum Bug vor, Poon mit ihm. Beide waren mit
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