Hongkong 02 - Noble House Hongkong
ersehnen, Wirklichkeit sein, und es wird Frieden auf Erden herrschen.«
»Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte Grey mit Gefühl. »Wir haben das Verteidigungsbudget gekürzt und werden es nächstes Jahr noch weiter kürzen. Mit dem Krieg ist es ein für alle Male vorbei. Das hat die Bombe bewirkt. Dem stehen nur noch diese niederträchtigen Amerikaner mit ihrem Rüstungswettlauf im Wege, aber bald werden wir auch sie zwingen, ihre Waffen niederzulegen. Und dann werden wir alle gleich sein.«
»Wußten Sie, daß Amerika die Japaner heimlich aufrüstet?«
Suslew war darüber informiert, daß Grey dreieinhalb Jahre in japanischen Lagern zugebracht hatte. »Wußten Sie, daß sich gerade jetzt eine Militärmission dort aufhält und höflich anfragt, ob sie Atomwaffen annehmen würden?«
»Das würden sie nicht wagen!«
»Aber sie haben es gewagt, Mr. Grey«, sagte Suslew. Die Lüge fiel ihm leicht.
»Kann ich Einzelheiten von Ihnen haben, die ich im Parlament verwenden könnte?«
»Ich werde meine Vorgesetzten ersuchen, Ihnen Details zukommen zu lassen, wenn Sie sich etwas davon versprechen.«
»Bitte so bald wie möglich! Atombomben … Mein Gott!«
»Sind Ihre Leute, Ihre ausgebildeten Experten, auch in englischen Atomkraftwerken tätig?«
»Nein; wir haben ja nur zwei. Also rüsten die Yankees tatsächlich die Japaner auf?«
»Ist denn Japan kein kapitalistisches Land? Ist denn Japan kein Schützling der Vereinigten Staaten? Bauen sie nicht auch Atomkraftwerke? Wenn sie die Amerikaner nicht hätten …«
»Diese amerikanischen Schweine! Gott sei Dank, daß ihr auch die Bombe habt, sonst wären wir alle von ihnen abhängig!«
»Vielleicht sollten Sie Ihre Bemühungen auch auf Atomkraftwerke ausdehnen, hm?« Suslew staunte, daß Grey so einfältig war. »Einer Ihrer Landsleute hat eine neue Analyse veröffentlicht. Philby.«
»Philby?« Grey erinnerte sich, wie erschrocken und geschockt er gewesen war über Philbys Entdeckung und Flucht, und wie erleichtert, daß Philby und die anderen keine Listen mit den Namen jener zurückgelassen hatten, die zum inneren Kern der BCP gehörten. »Wie geht es ihm?«
»Soviel ich weiß, ausgezeichnet. Er arbeitet in Moskau. Kannten Sie ihn?«
»Nein. Er war ja im Außenamt. Keiner von uns wußte, daß er zu uns gehörte.«
»In seiner Analyse weist er darauf hin, daß ein Atomkraftwerk im Gegensatz zu Kohle- oder Öl-Kraftwerken zu seinem Betrieb nur einige wenige hochqualifizierte Techniker benötigt. Im Augenblick ist die Industrie des Westens völlig von Kohle und Öl abhängig. Er meint, es sollte unser Bestreben sein, den Einsatz von Kernkraft rundweg abzulehnen. Klar?«
»Ich verstehe genau, wo er hinaus will!« Greys Züge verhärteten sich. »Ich werde mich selbst in den parlamentarischen Ausschuß zum Studium der Atomenergie wählen lassen.«
»Wird das leicht gehen?«
»Zu leicht, Genosse! Die Engländer sind ein faules Volk. Sie wollen sich nicht mit Problemen herumschlagen, wollen so wenig wie möglich arbeiten und soviel wie möglich verdienen, um am Sonnabend in die Kneipe und zum Fußballspiel zu gehen – wollen nichts wissen von unbezahlter Arbeit, von langwierigen Ausschußsitzungen außerhalb der Arbeitszeit.«
Suslew seufzte zufrieden. Seine Arbeit war fast getan. »Noch ein Bier? Nein, lassen Sie es mich holen, es ist mir eine Ehre, Mr. Grey. Kennen Sie zufällig einen Schriftsteller, einen Amerikaner, der sich auch hier aufhält, Peter Marlowe?«
Grey horchte auf. »Marlowe? Ich kenne ihn sehr gut, wußte nur nicht, daß er amerikanischer Staatsbürger ist. Er ist ein verkommenes Subjekt, ein Angehöriger der Oberschicht mit den Moralbegriffen eines Schwarzhändlers. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen – seit 1945. Er war auch in Changi. Bis gestern wußte ich nicht, daß er Schriftsteller ist. Ist er wichtig für uns?«
»Er ist Schriftsteller«, antwortete Suslew. »Er macht Filme. Mit dem Fernsehen können Schriftsteller auf Millionen einwirken. Die Zentrale verfolgt die Tätigkeit der Schriftsteller sehr aufmerksam. Wir kennen ihre Bedeutung, auch in Rußland. Unsere Schriftsteller haben uns immer den Weg gewiesen, haben unser Denken und Fühlen mitgestaltet. Tolstoi, Dostojewski, Tschechow … Wir betrachten Schriftsteller als Pfadfinder. Darum sehen wir uns veranlaßt, sie zu lenken und ihre Arbeit zu kontrollieren – oder einzugraben.« Er sah Grey an. »Sie sollten es auch so halten.«
»Wir unterstützen
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