Hongkong 02 - Noble House Hongkong
falsch sind, hat er noch die echten.«
»Entweder das, oder er hat den Inhalt im Kopf.«
»Wie meinen Sie das?«
»Angeblich besitzt er ein fotografisches Gedächtnis. Er könnte die echten vernichtet, sich den Inhalt aber gemerkt haben.«
»Man könnte ihn also in die Mangel nehmen … wenn er uns hereingelegt hat.«
Crosse zündete sich eine dritte Zigarette an. »Ja. Wenn man höheren Orts zu dem Schluß kommt, daß es notwendig ist.« Er musterte Rosemont. »Eine solche Prozedur wäre natürlich sehr gefährlich und könnte nur unter Berufung auf den Official Secrets Act angeordnet werden. Aber zuerst müßten wir uns vergewissern. Das sollte uns nicht allzu schwer fallen.«
Crosse warf einen Blick auf den Getränkeschrank. »Darf ich?«
»Selbstverständlich. Ich möchte auch noch einen Whisky.«
Crosse reichte ihm die Flasche. »Ich schlage Ihnen einen Handel vor: Sie arbeiten ohne Rückhalt mit mir zusammen, Sie tun nichts, ohne es mir vorher zu sagen, halten mit nichts zurück …«
»Und Ihre Gegenleistung?«
Crosse nahm einige Fotokopien aus der Tasche. »Wie gefiele es Ihnen, auf die Chancen gewisser Präsidentschaftskandidaten Einfluß auszuüben – vielleicht sogar auf eine Wahl?«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
Crosse reichte ihm die Briefe Thomas K. K. Lims hinüber, die Armstrong und sein Team vor zwei Tagen im Büro von Raffzahn Lo beschlagnahmt hatten. »Es sieht so aus, als ob sich gewisse sehr wohlhabende, einflußreiche Familien mit gewissen Generälen zusammengetan hätten, um mehrere große, aber völlig unnötige Flugplätze in Vietnam zu bauen – und sich persönlich zu bereichern.« Crosse erzählte ihm, wo und wie die Papiere gefunden worden waren. »Ist nicht auch Senator Wilf Tillman, der gerade hier ist, ein Kandidat? Ich kann mir gut vorstellen, daß er Sie zum Dank für dieses leckere Material an die Spitze der CIA berufen könnte – wenn Sie es ihm geben wollen. Diese beiden sind noch delikater.« Crosse legte sie vor ihn hin. »Aus ihnen geht hervor, wie gewisse einflußreiche Politiker und dieselben einflußreichen Familien den Kongreß dazu gebracht haben, Millionen für ein betrügerisches Hilfsprogramm für Vietnam zu genehmigen. Acht Millionen sind bereits in ihre Taschen geflossen.«
Rosemont las die Briefe und wurde kreideweiß. »Dieser Kerl, Rog, dieser Thomas K. K. Lim, können wir uns den ausborgen?«
»Wenn Sie ihn finden, gehört er Ihnen. Er treibt sich irgendwo in Südamerika herum.« Er legte ein weiteres Dokument auf den Schreibtisch. »Das ist ein vertraulicher Bericht der Wirtschaftspolizei. Es sollte Ihnen nicht schwerfallen, ihn aufzuspüren.«
Rosemont las. »Jesus!« Nach einer Pause fragte er: »Kann das alles unter uns bleiben? Es könnte einigen unserer nationalen Denkmäler schwer an die Nieren gehen.«
»Selbstverständlich. Unser Handel gilt also? Offene Karten auf beiden Seiten?«
»Okay.« Rosemont schloß seinen Safe auf. »Eine Hand wäscht die andere.« Er fand die Akte, die er suchte, nahm einige Papiere heraus, stellte die Akte zurück und verschloß den Safe. »Hier. Das sind Fotokopien. Die können Sie haben.«
Die Fotokopien trugen die Aufschrift »Freiheitskämpfer« und waren von diesem und vom vorigen Monat datiert. Crosse sah sie schnell durch und stieß hin und wieder einen Pfiff aus. Es waren Agentenberichte bester Qualität. Sie betrafen allesamt Kanton, Geschehnisse in und um diese lebenssprühende Hauptstadt der Provinz Kwantung; Truppenbewegungen, Beförderungen, Berufungen in die höchsten Gremien der Stadt oder Partei, Überschwemmungen, Lebensmittelknappheiten, Militärisches, Mengen und Qualität der in den Läden zum Verkauf stehenden ostdeutschen und tschechischen Waren. »Woher bekommen Sie das?« fragte er.
»Wir haben eine Zelle in Kanton. Wir erhalten diese Berichte einmal im Monat. Wollen Sie sie mitnehmen?«
»Ja. Ja, danke! Ich werde sie von unseren Leuten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen lassen.«
»Die Berichte stimmen. Es ist natürlich alles streng geheim, klar? Ich möchte nicht, daß es meinen Burschen ergeht wie Fongfong.«
Der Amerikaner stand auf und streckte Grosse die Hand hin. »Es tut mir leid wegen der Razzia.«
»Schon recht.«
»Fein. Und diesen Spaßvogel, diesen Lim, den finden wir schon.« Rosemont reckte sich träge und goß sich dann einen frischen Drink ein. »Rog?«
»Nein, danke, ich muß laufen.«
Mit seinem dicken Finger deutete Rosemont auf die Briefe.
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