Hongkong 02 - Noble House Hongkong
an. »Kannst du auch Gedanken lesen?«
Sie lachte. »Gehört es nicht zu den Obliegenheiten einer Dame, darauf zu achten, ob ihr … ihr Begleiter vergnügt ist oder traurig, ob er allein sein will oder was immer? Man hat mich gelehrt, meine Augen und meine Sinne zu gebrauchen. Selbstverständlich versuche ich in deinen Gedanken zu lesen, und wenn ich richtig rate … Ist das nicht noch schöner für dich?« Und um so vieles leichter, dich zu umgarnen, dich an einer Angelleine zu halten, die du mühelos zerreißen kannst, wenn du willst. Meine Kunst ist es, aus einer dünnen Leine ein stählernes Netz zu weben.
Das zu lernen war nicht leicht gewesen! Quillan war ein grausamer Lehrer. Meine Erziehung vollzog sich größtenteils im Zorn. »Verdammt noch mal!« fluchte Quillan. »Wo hast du deine Augen? Es hätte dir klar sein müssen, als ich herkam, daß ich einen scheußlichen Tag hatte und mich saumäßig fühle! Warum, zum Teufel, hast du mir nicht sofort einen Drink serviert, mich sanft berührt und dann zehn Minuten lang die Klappe gehalten und mir Zeit gegeben, mich zu erholen?«
»Aber Quillan«, hatte sie gejammert, »du warst so zornig, daß du mich ganz durcheinandergebracht hast, und …«
»Ich habe dir schon fünfzigmal gesagt, du sollst nicht durchdrehen, wenn ich verstimmt bin. Es ist deine Aufgabe, mich zu entspannen. Zehn Minuten, mehr brauche ich nicht. Und ich bin wieder lenksam und wie Wachs in deinen Händen. Verdammt noch mal, habe ich nicht immer ein Auge auf dich? Jeden Monat um dieselbe Zeit bist du gereizt und zappelig, nicht wahr? Bemühe ich mich nicht, so friedlich wie möglich zu sein und dein Gemüt zu beruhigen, wie?«
»Ja, aber …«
»Zum Teufel mit deinem ewigen Aber! Jetzt habe ich noch mehr Wut im Balg als zuvor, und es ist alles nur deine Schuld, denn du bist dumm und unweiblich!«
Orlanda erinnerte sich, wie er die Wohnungstür zugeschlagen hatte und sie in Tränen ausgebrochen war. Nach einer Weile war er zurückgekommen und hatte sie in die Arme genommen. Sie hatte geweint, weil es ihr wegen des Streites leidtat, der unnötig und ihre Schuld gewesen war, wie sie ihm beipflichtete. »Hör mal, Orlanda«, hatte er zart gemurmelt, »ich bin nicht der einzige Mann, den du in deinem Leben wirst lenken müssen, und nicht der einzige, von dem du abhängen wirst – es ist schon mal so, daß Frauen von einem Mann abhängen, wie gemein, böse und schwierig er auch sein mag. Und es ist doch so leicht, ihn zu lenken. Sie braucht nur die Augen offenzuhalten und zu begreifen, daß Männer Kinder sind und die meiste Zeit dumm, launenhaft und unausstehlich. Aber sie geben das Geld her, und Tag für Tag Geld zu geben kommt jeden Mann hart an. Moh ching moh meng … kein Geld, kein Leben! Als Gegenleistung muß die Frau für Harmonie sorgen – der Mann kann das nicht, zumindest nicht immer. Doch die Frau kann, wenn sie will, ihren Mann immer aufheitern. Immer. Einfach dadurch, daß sie eine kleine Weile ruhig, liebevoll, zart und verständig ist. Ich werde dich das Spiel des Lebens lehren. Du wirst – als Frau – ein Doktorat in Überlebenskunde machen, aber du mußt daran arbeiten …«
Und wie ich daran gearbeitet habe, dachte Orlanda und entsann sich aller ihrer Tränen. Aber jetzt weiß ich, was es zu wissen gibt. Jetzt mache ich instinktiv, was ich mich zu lernen zwingen mußte. »Komm, ich zeige dir den vorderen Teil der Jacht!«
Sie stand auf und ging voraus.
Die Passagierkabine war geräumig und mit bequemen Liegen, Sofas, Lehnsesseln und einem reichhaltigen Getränkeschrank ausgestattet. »Die Kombüse ist vorn in der Back neben den Mannschaftsunterkünften«, erklärte sie ihm. »Sie sind eng, aber für Hongkonger Verhältnisse anständig.« Ein schmaler Gang führte nach vorne.
Vier Kajüten, zwei mit Doppelkojen, zwei mit je einer Koje über der anderen.
Hübsch, sauber und einladend. »Achtern liegt Quillans Suite – luxuriös eingerichtet. Das Beste ist für ihn gerade gut genug.«
»Ich verstehe«, sagte Bartlett. Er küßte sie, und sie erwiderte seine Liebkosung. Seine Begierde riß sie mit, sie ließ sich treiben von seinem Verlangen, und ihre Leidenschaft paßte sich der seinen an.
Das Spiel war so geplant.
Sie spürte seine Kraft. Leicht kreisend preßte sie ihre Lenden sofort dichter an ihn.
Seine Hände irrten über ihren Rücken, und sie tat das gleiche. Es war herrlich in seinen Armen, schöner, als sie es je bei Gornt empfunden hatte, der
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