Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Philby, Klaus Fuchs, Sorge, Rudolf Abel, Blake und all die anderen möglich?«
»Wie lange würden Sie noch brauchen?«
Sinders zuckte die Achseln.
Dunross musterte ihn. Das Schweigen wurde erdrückend.
»Haben Sie die Originale vernichtet?«
»Nein, und ich muß Ihnen gestehen, daß auch mir der Unterschied zwischen den Berichten, die ich Ihnen gab, und jenem, den Sie abgefangen haben, aufgefallen ist. Ich hatte die Absicht, AMG anzurufen und ihn um eine Erklärung zu bitten.«
»Wie oft sprachen Sie mit ihm?«
»Ein- oder zweimal im Jahr.«
»Was wußten Sie von ihm? Wer hat ihn Ihnen empfohlen?«
»Mr. Sinders, ich bin durchaus bereit, Ihre Fragen zu beantworten, aber jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt. Ich habe Gäste zu Hause, und meine Verbindung mit AMG hat nichts mit meinem Vorschlag zu tun. Er erfordert nur ein einfaches Ja oder Nein.«
»Oder ein Vielleicht.«
»Oder ein Vielleicht.«
»Ich werde darüber nachdenken.«
Dunross lächelte in sich hinein. Ihm gefiel dieses Katz-und-Maus-Spiel mit zwei Meistern ihres Fachs. »Die Bereitschaft, mein Angebot Ihnen gegenüber aufrechtzuerhalten, wird von Minute zu Minute geringer. Mag sein, daß es SI oder MI-6 schnurzegal ist, ob Hongkong vor die Hunde geht oder nicht – mir ist es nicht egal, und darum mache ich Ihnen meinen Vorschlag ein letztes Mal.« Er stand auf. »Ich bleibe Ihnen bis heute halb neun Uhr abends im Wort.«
Die anderen beiden Männer blieben sitzen. Ungerührt fragte Sinders: »Warum halb neun, Mr. Dunross? Warum nicht um Mitternacht oder morgen mittag?« Er paffte weiter seine Pfeife, aber es entging Dunross nicht, daß seine Atemzüge in dem Moment schneller geworden waren, als er ihnen eine Frist gesetzt hatte. Ein gutes Zeichen, dachte er.
»Weil ich dann Tiptop anrufen muß. Danke für Ihren freundlichen Empfang!«
Dunross wandte sich zur Tür.
Crosse, der hinter seinem Schreibtisch saß, streifte Sinders mit einem Blick. Der Leiter der MI-6 nickte und Crosse drückte gehorsam auf einen Knopf. Lautlos glitten die Riegel zurück. Dunross blieb überrascht stehen, faßte sich aber schnell, öffnete die Tür und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
»Ein kühler Typ«, meinte Crosse nicht ohne Bewunderung.
»Zu kühl.«
»Nicht zu kühl. Er ist der Tai-Pan des Noble House.«
»Und ein Lügner, aber ein geschickter; und er steckt voller Kniffe. Wäre er fähig, ›es‹ zu vernichten?«
»Zweifellos. Ich weiß nur nicht, ob acht Uhr dreißig tatsächlich die Stunde null ist.«
Crosse zündete sich eine Zigarette an. »Ich fürchte ja. Man hat ihn sicherlich stark unter Druck gesetzt – den Burschen ist doch klar, daß wir den Kunden einem intensiven Verhör unterziehen. Sie haben genügend Zeit gehabt, sowjetische Methoden zu studieren und haben selbst noch einige kleine Scherze dazuerfunden. Und sie können annehmen, daß auch wir unser Handwerk verstehen.«
»Ich neige zu der Ansicht, daß er keine anderen Berichte mehr hat, und daß ›es‹ echt ist. Wenn es von AMG kommt, muß es einen besonderen Wert haben. Was meinen Sie?«
»Wie ich dem Gouverneur schon sagte: Wenn wir den Kunden noch bis Montag behalten können, haben wir alles Wichtige von ihm erfahren.«
»Aber was ist mit den Chinesen? Was wird er ihnen von uns erzählen können?«
»Der Kunde weiß eine Menge, aber er weiß nicht alles. Hier können wir alle nötigen Gegenmaßnahmen treffen, Codes auswechseln etcetera. Wir haben ihn ja zum Glück noch rechtzeitig erwischt. So sicher wie das Amen in der Kirche wäre er der erste chinesische Commissioner und sehr wahrscheinlich auch Leiter des SI geworden. Das wäre eine Katastrophe gewesen. Die privaten Dossiers – die von Fonf-fong und anderen Leuten – bekommen wir nicht wieder, und auch nicht die Pläne für Aufstände und Gegenaufstände. Was Sevrin angeht, weiß er nicht mehr, als was wir alle wußten, bevor wir ihn schnappten. Dieses ›es‹ könnte Hinweise liefern, Hinweise auf Fragen, die wir ihm stellen sollten.«
»Daran habe ich auch gleich gedacht. Wie ich schon sagte, Mr. Dunross ist so verdammt kühl. Glauben Sie ihm?«
»Was die Berichte angeht … ich weiß nicht. Aber ich glaube, daß es ein ›es‹ gibt und daß AMG von den Toten auferstanden ist. Ja, das ›es‹ könnte wichtiger sein als dieser Kunde -- nach Montag mittag. Jetzt ist er nicht viel mehr als eine leere Schale.«
Seit ihrer Rückkehr vom Rennplatz war Brian Kwoks Vernehmung weitergegangen, und
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