Hongkong 02 - Noble House Hongkong
pflichte Ihnen bei. Vielleicht kann ich die Herrschaften überreden, die Sache auf Montag vorzuverlegen. Vielleicht könnten Ihre Freunde ein wenig Geduld haben. Ich würde es als eine sehr große Gefälligkeit ansehen.« Er ließ das Wort im Raum stehen.
»Ich werde Ihre Botschaft weitergeben. Danke, Tai-Pan. Bitte rufen Sie mich morgen um sieben Uhr abends an! Gute Nacht!«
»Gute Nacht!«
Sehr betroffen brach Philip Tschen das Schweigen. »Das war ein kostspieliges Wort, Tai-Pan.«
»Ich weiß. Aber ich hatte keine andere Wahl. Zweifellos wird man mich eines Tages daran erinnern.« Dunross strich sich das Haar aus der Stirn. »Vielleicht wird es Joseph Yu sein, wer weiß? Aber ich mußte es sagen.«
»Ja, du bist sehr klug – klüger als Alastair, klüger als dein Vater, wenn auch nicht so klug wie ›die Hexe‹. Es war klug, nichts vom Geld zu sagen, vom Bankgeld. Er ist viel zu gescheit, um nicht zu wissen, daß wir es morgen brauchen – spätestens morgen abend.«
»Irgendwie werden wir es bekommen. Dann kann uns die Victoria nicht länger unter Druck setzen, und Havergill wird bald eine Aufsichtsratssitzung einberufen müssen. Mit Kwang im Aufsichtsrat, nun ja, er schuldet uns viele Gefälligkeiten. Der neue Aufsichtsrat wird dafür stimmen, unseren Revolvingfonds zu erhöhen, dann brauchen wir weder Bartlett noch First Central noch Matas gottverdammtes Syndikat.«
Nach einigem Zögern platzte Philip Tschen heraus: »Es ist mir zutiefst zuwider, abermals der Überbringer einer schlechten Nachricht zu sein, aber ich habe erfahren, daß Richard Kwang Havergill ein undatiertes, unterzeichnetes Rücktrittsgesuch überlassen und sich verpflichten mußte, so zu stimmen, wie Havergill es wünscht.«
Dunross seufzte. Es paßte alles zusammen. Wenn Richard Kwang mit der Opposition stimmte, konnte er seine beherrschende Stellung neutralisieren. »Jetzt brauchen wir nur noch einen Parteigänger zu verlieren, und Havergill und die Opposition stimmen uns nieder.« Er fixierte Philip Tschen. »Du könntest versuchen, Kwang auf unsere Seite zu ziehen.«
»Ich werde es versuchen, aber er steht unter Druck. Was ist mit P. B. White? Was meinst du, würde er uns helfen?«
»Nicht gegen Havergill und nicht gegen die Bank. Mit Tiptop wäre es denkbar«, antwortete Dunross. »Er ist der nächste – und der letzte – auf der Liste.«
9
22.55 Uhr:
Sechs Personen stiegen vor dem Seiteneingang der Victoria Bank aus zwei Taxis: Casey, Riko Gresserhoff, Gavallan, Peter Marlowe, Dunross und P. B. White, ein gelenkiger, schlanker, fünfundsiebzigjähriger Engländer.
Dieser wandte sich an den Schriftsteller: »Wollen Sie nicht doch noch auf einen Drink mit hinaufkommen, Mr. Marlowe?«
»Nein, danke, Sir, ich sollte schon längst zu Hause sein. Gute Nacht, und danke für die Einladung, Tai-Pan!«
Er ging in die Nacht hinaus und lenkte seine Schritte zum Terminal der Fähre. Weder er noch die anderen bemerkten den Wagen, der unten an der Straße stehenblieb.
Seine Insassen waren Malcolm Sun, ranghoher Agent des SI, und Povitz, der CIA-Mann. Sun saß am Steuer.
»Ist das die einzige Zufahrt?« Povitz schaute sich um.
»Ja.«
Sie beobachteten, wie P. B. White auf die Klingel drückte. »Diese Glückspilze. Die zwei Bienen sind die flottesten, die ich je gesehen habe.«
»Casey ist in Ordnung, aber die andere? In jeder Tanzhalle gibt es hübschere.«
Die Tür ging auf, und ein schläfriger Nachtportier, ein Sikh, begrüßte sie. »Guten Abend, Sahs, Memsahs.« Er ging zum Aufzug, drückte auf den Knopf, kam zurück undschloß die Eingangstür.
»Der Aufzug geht ein bißchen langsam. Ist ja auch schon hochbetagt, so wie ich. Tut mir leid«, sagte P. B. White.
»Wie lange leben Sie schon hier, Mr. White?« Casey lächelte, denn von Alter war bei diesem Mann mit dem federnden Schritt und dem spitzbübischen Zwinkern nichts zu merken.
»Seit etwa fünf Jahren, meine Liebe«, antwortete er und nahm ihren Arm. »Mir war das Glück hold!«
Kann man wohl sagen, dachte sie, aber du mußt für die Bank schon ziemlich wichtig sein, um eines von nur drei Apartments in dem riesigen Gebäude bewohnen zu dürfen. Das zweite gehörte dem Generaldirektor, der sich gegenwärtig auf Krankenurlaub befand. Das dritte schließlich war wohl mit Personal besetzt, stand aber leer.
»Es ist für hohe Besucher bestimmt: für Mitglieder des Königshauses, den Gouverneur der Bank von England, Premierminister und ähnliche Halbgötter«,
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