Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Crosse treffen wollte. »Was ist denn so dringend? Ich sollte auf meinem Schiff …«
»Ich weiß es nicht. Roger hat nur gesagt, es sei dringend. Hast du mit Koronski gesprochen?«
»Ja. Es sind alle Vorkehrungen getroffen. Kannst du liefern?«
»Aber selbstverständlich! Lange vor Mitternacht.«
»Es darf nichts schiefgehen. Die Zentrale verläßt sich jetzt auf dich«, log er. »Sag unserem Freund, daß es so angeordnet wurde!«
»Ausgezeichnet! Es wird alles klappen.«
Suslew hatte die Erregung herausgehört. Seine Angst war zum Teil abgeklungen.
Jetzt kehrte sie zurück. Im KGB galt Sinders als überaus tüchtig und schlau, ein Mann von großem Scharfblick und Einfühlungsvermögen. »Ich bin Ihrer Fragen müde, Mr. Sinders«, sagte er, überrascht, daß der Chef der MI-6 persönlich nach Hongkong gekommen war – und daß er so unbedeutend aussehen konnte. Er stand auf, um ihn auf die Probe zu stellen. »Ich gehe jetzt.«
»Erzählen Sie mir von Sevrin!«
»Sevrin? Was ist Sevrin? Ich brauche mir Ihre Fragen nicht länger anzu…«
»Normalerweise hätten Sie recht, Genosse Kapitän, aber einer Ihrer Leute hat Spionage getrieben und wurde dabei erwischt, und unsere amerikanischen Freunde würden wirklich gerne Besitz von Ihnen ergreifen.«
»Was?«
»Ja, ja, und ich fürchte, sie sind nicht so geduldig wie wir.«
»Immer neue Drohungen«, erklärte Suslew entrüstet. »Warum bedrohen Sie mich? Ich bin für alle diese Sachen nicht verantwortlich. Ich verlange, daß Sie mir gestatten, unverzüglich auf mein Schiff zurückzukehren!«
Sinders sah ihn nur an. »In Ordnung. Bitte, gehen Sie«, sagte er ruhig.
»Ich kann gehen?«
»Ja, natürlich. Guten Morgen!«
Überrascht starrte Suslew ihn an, machte kehrt und ging zur Tür.
»Natürlich werden wir Ihre Vorgesetzten wissen lassen, daß Sie uns Leonow geliefert haben.«
Aschfahl blieb Suslew stehen. »Was haben Sie gesagt?«
»Unter anderem hat Leonow uns mitgeteilt, daß Sie ihn angewiesen haben, das Material zu holen. Dann haben Sie ihn verraten.«
»Lügen … Lügen«, sagte er. Der Gedanke, daß Roger Crosse vielleicht ebenso entlarvt worden war wie Metkin, erschreckte ihn.
»Haben Sie nicht auch Bakyan an nordkoreanische Agenten verraten?«
»Nein, nein, das habe ich nicht«, stammelte Suslew. »Ich kenne keine Nordkoreaner.«
»Ich glaube Ihnen, aber das Erste Direktorat wird Ihnen ganz sicher nicht glauben. Guten Morgen!«
»Was meinen Sie damit?«
»Erzählen Sie mir von dem Telegramm!«
»Ich weiß nichts davon. Ihr Inspektor hat sich geirrt. Ich habe nichts fallen lassen.«
»Er hat sich nicht geirrt. Von welchem Amerikaner war die Rede?«
»Ich weiß nichts von einem Amerikaner.«
»Erzählen Sie mir von Sevrin!«
»Ich weiß nichts von diesem Sevrin. Was ist das, wer ist das?«
»Sie wissen doch sicher, daß Ihre Vorgesetzten im KGB sehr mißtrauisch sind und mit Verrätern kurzen Prozeß machen. Wenn es Ihnen gelingt auszulaufen, würde ich vorschlagen, daß Sie, Ihr Erster Offizier, Ihr Schiff und Ihre ganze Mannschaft sich in diesen Gewässern nicht mehr sehen lassen.«
»Bedrohen Sie mich schon wieder? Das wird sich zu einem internationalen Zwischenfall auswachsen. Ich werde meine Regierung infor…«
»Ja, und das werden auch wir tun, offiziell und privat. Sehr privat.« Sinders’ Lippen lächelten, aber seine Augen waren kalt.
»Ich … kann ich jetzt gehen?«
»Ja, wenn Sie meine Frage beantworten.«
»Was?«
»Wer ist der Amerikaner, und wer ist Arthur?«
»Ich kenne keinen Arthur.«
»Ich warte noch bis Mitternacht. Wenn Sie auslaufen, ohne meine Frage zu beantworten, werde ich es mir in London angelegen sein lassen, Ihren Marineattaché darüber zu informieren, daß Sie Leonow, den Sie Metkin nennen, und ebenso Bakyan, den Sie Woranski nennen, verraten haben.«
»Das sind Lügen, alles Lügen, Sie wissen, daß es Lügen sind.«
»Fünfhundert Menschen haben Sie auf dem Rennplatz mit Oberinspektor Crosse sprechen sehen. Bei der Gelegenheit haben Sie ihm Metkin ans Messer geliefert.«
»Alles gelogen.« Suslew versuchte, seine Angst niederzukämpfen.
Sinders lächelte. »Werden wir ja sehen, nicht wahr? Ihr neuer Marineattaché in London wird sich an jeden Strohhalm klammern, wenn er sich damit bei seinen Vorgesetzten Liebkind machen kann, nicht wahr?«
»Ich verstehe nicht«, antwortete Suslew und verstand nur zu gut.
Sinders beugte sich vor. »Hören Sie mir mal gut zu«, sagte er. »Ich
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